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Teil 1: Die ÖNORM B 8110 Teil 3 im Überblick

Kurzbeschreibung: Es wird immer heißer, die Anzahl der Hitzetage und Tropennächte steigt. Die ÖNORM B 8110 Teil 3 regelt, wie Gebäude zu planen sind, damit wir uns noch behaglich fühlen. Diese Behaglichkeit wird als Sommertauglichkeit im Gesetz gefordert. Die Länderbauordnungen nehmen dabei auf die relevante OIB-Richtlinie 6 bezug. Für die Planung sind zwei Verfahren möglich: ein altes, vereinfachtes, eigentlich in vielen Fällen nicht mehr angemessenes und ein neues, in der überarbeiteten Version der Norm von 2012, enthaltenes Verfahren, das die operative Temperatur dynamisch, also ihren Verlauf über den Tag hinweg, simuliert. Unterschiede zwischen den beiden Verfahren werden in Teil 2 der Serie besprochen. Die novellierte Sommertauglichkeitsnorm
Eine Serie in vier Teilen.
Teil 1: Die ÖNORM B 8110 Teil 3 im Überblick

Extreme Hitze wird immer häufiger. Die Anzahl der Hitzetage, also Tage mit 30 Grad und mehr hat sich seit den 1960er Jahren bereits verdoppelt. In Wien z.B. von 10 auf über 20 Hitzetage pro Jahr.
Auch die Anzahl der Tropennächte steigt. Das sind Nächte, in denen die Lufttemperatur nicht unter 20 °C fällt.

Die Sommertauglichkeit wird in der Planung von Gebäuden daher immer bedeutsamer, wie das auch bereits im Audiofile "Prinzipien des sommertauglichen Planens und Bauens" grundsätzlich erläutert wurde.

In diesem Beitrag geht es speziell um den normgemäßen Nachweis der Sommertauglichkeit von Gebäuden.

Die ÖNORM B 8110 Teil 3, "Wärmeschutz im Hochbau - Vermeidung sommerlicher Überwärmung" aus dem Jahr 2012 beschreibt zwei Verfahren:

Erstens: Ein "vereinfachtes Verfahren", bei dem nachgewiesen wird, dass der Wärmeeintrag durch Lüften und ausreichend speicherwirksame Masse kompensiert wird.

Zweitens: ein Verfahren, das den Tagesgang der operativen Temperatur an einem bestimmten Sommertag simuliert. Die operative Temperatur wird als arithmetischer Mittelwert der Raumlufttemperatur und der mittleren Oberflächentemperatur der raumbildenden Bauteile berechnet. Dieses Verfahren wird im folgenden als Tagesgangverfahren bezeichnet.

In welchen Fällen ist die ÖNORM B 8110 Teil 3 anzuwenden?

Die Norm ist auf alle Gebäude oder Räume anzuwenden, die dem dauernden oder vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen. Es wird zwischen Haupt- und Nebenräumen unterschieden.
Haupträume sind alle Aufenthaltsräume und die mit ihnen unmittelbar verbundenen Gänge. Bei Wohnungen und Einfamilienhäusern sind dies alle Räume. Nebenräume sind geschlossene Lauben, Stiegenhäuser, Atrien und ähnliches. Für Haupträume gelten etwas strengere Anforderungen als für Nebenräume, die Sommertauglichkeit betreffend.
Weiters ist wesentlich, dass die Norm dann anzuwenden ist, wenn keine mechanische Kühlung, also keine aktive Kühlung über Kompressionskältemaschinen oder ähnliches, vorgesehen ist.

Ist es gesetzlich gefordert, diese Norm anzuwenden?

Die Sommertauglichkeit ist in den Bauordnungen der Länder, die auf die OIB Richtlinie 6 verweisen, verankert.
In der Version der OIB Richtlinie 6 vom März 2015 heißt es: "Der sommerliche Wärmeschutz gilt für Wohngebäude als erfüllt, wenn ausreichende Speichermassen im vereinfachten Nachweis gemäß ÖNORM B 8110-3 - unbeschadet der für den Standort geltenden Außenlufttemperatur mit einer Überschreitungshäufigkeit von 130 Tagen in zehn Jahren - vorhanden sind. Für Nicht-Wohngebäude ist jedenfalls der außeninduzierte Kühlbedarf KB* einzuhalten."

Das heißt, das zweite Verfahren, das den Tagesgang der operativen Temperatur simuliert, ist nicht generell gesetzlich gefordert, wobei einzelne Bundesländer wie Wien davon abweichen können.
Im Sinne der Planungssicherheit ist es allerdings ratsam, über die Mindestanforderung hinaus anerkannte Regeln der Technik zu berücksichtigen.
Wir möchten auch darauf hinweisen, dass es aufgrund der offensichtlichen klimatischen Veränderungen unserer Ansicht nach nicht mehr zeitgemäß ist, dass das alte vereinfachte Verfahren gemäß OIB Richtlinie 6 noch generell für Wohngebäude angewendet werden darf und gehen davon aus, dass sich diese gesetzliche Situation auf kurz oder lang ändern wird.

Teil 2: Die Unterschiede zwischen dem vereinfachten Verfahren und dem Tagesgangverfahren

Kurzbeschreibung: Das alte, eher bekannte, Verfahren der ÖNORM B 8110-3 ermittelt alle äußeren und inneren Wärmebeiträge über Imissionsflächen (reale und äquivalente) und ermittelt dann den erforderlichen Nachtlüftungsmindestvolumenstrom sowie eine bestimmte erforderliche speicherwirksame Mindestmasse. Das neue dynamische Verfahren ist im Ergebnis hingegen anschaulicher, es liefert einen Temperaturverlauf. Dort lautet das Kriterium für den Sommertauglichkeitsnachweis dann auch konsequent, dass die operative Temperatur in Haupträumen tagsüber 27 °C sowie in Schlaf- bzw. Ruheräumen in der Nacht von 25 °C nicht überschreiten darf. Die Norm liefert nur einen Mindestschutz, man kann in der Ausschreibung auch bewusst höhere Güteklassen der Sommertauglichkeit anstreben (siehe auch Teil 4 der Serie). Die novellierte Sommertauglichkeitsnorm - Teil 2: Die Unterschiede zwischen dem vereinfachten Verfahren und dem Tagesgangverfahren

Beim bisherigen bzw. vereinfachten Verfahren wird zunächst der Wärmeeintrag - vor allem über die Glasflächen - erfasst. Dann wird berechnet, wieviel Wärme einerseits über die Lüftung abgeführt und andererseits, wieviel Wärme von der speicherwirksamen Masse des Gebäudes aufgenommen werden kann. Ist der Wärmeeintrag unter vorgegebenen Außentemperaturen geringer als die Abfuhr und Speicherung von Wärme, gilt der Nachweis der Sommertauglichkeit als erfüllt.
Dazu Richard Hofer, Mitarbeiter im Bauphysikbüro Schöberl und Pöll:

Richard Hofer:
"Im alten Verfahren wurde der Nachweis so geführt, dass eine gewisse Speichermasse, sprich schwere Bauteile, wie Stahlbeton, usw., vorhanden sein musste, um die sommerliche Überwärmung und die inneren Lasten abzufedern, und ein gewisser Luftvolumenstrom, der diese Wärme wieder abführt."
Genau genommen wird beim vereinfachten Verfahren zunächst eine sogenannte Immissionsfläche berechnet. Mit Hilfe der Immissionsfläche wird der solare Wärmeeintrag erfasst. Dann werden zwei Größen berechnet, die auf diese Immissionsfläche bezogen sind, und gegenübergestellt. Bei diesen Größen handelt es sich um den immisionsflächenbezogenen stündlichen Luftvolumenstrom, welcher die Wärmeabfuhr abbildet, und die imissionsflächenbezogene speicherwirksame Masse, welche die Wärmespeicherung in den Bauteilen abbildet. Einem bestimmten Luftvolumenstrom muss eine bestimmte speicherwirksame Masse gegenüberstehen, damit der Nachweis der Sommertauglichkeit gemäß diesem vereinfachten Verfahren erfüllt werden kann.

In vereinfachten Verfahren werden zwar Charakteristika des betrachteten Raumes berücksichtigt; das tatsächliche Außenklima am Standort, die Raumnutzung und die damit verbundenen inneren Wärmelasten bleiben weitgehend unberücksichtigt.
Das heißt, das Verfahren liefert immer das gleiche Ergebnis, egal welches Standortklima besteht und egal, wie das Gebäude genutzt wird. Auch ist im vereinfachten Verfahren vorausgesetzt, dass Nachtlüftung möglich ist und durchgeführt wird.

Aufgrund dieser Beschränkungen des vereinfachten Verfahrens wurde der Geltungsbereich dieses Verfahrens in der aktuellen Version der ÖNORM B 8110 Teil 3 eingeschränkt.

Das vereinfachte Verfahren darf laut Norm nur angewendet werden, wenn folgende Bedingungen zutreffen:
Erstens, es handelt sich um ein Einfamilienhaus oder eine Wohnung;
Zweitens, der für die Berechnung anzunehmende Tagesmittelwert der Außentemperatur am Standort ist kleiner gleich 23 °C ;
Drittens, die Fenster in dem betrachteten Raum können nachts offen gehalten werden.

Bei dem für die Berechnung anzunehmenden Tagesmittelwert der Außentemperatur handelt es sich übrigens um einen durchschnittlichen Sommertag in der Periode um den 15. Juli; darauf wird später noch eingegangen.
Thomas Bednar, Professor für Bauphysik an der TU Wien, zum Anwendungsbereich des vereinfachten Verfahrens:

Univ.-Prof. Thomas Bednar:
"Das vereinfachte Verfahren (immer noch zugelassen) in der neuen Norm wurde stark eingeschränkt auf den zulässigen Anwendungsbereich. Dort wo nachts möglich, Fenster ganz zu öffnen und Wohnungsnutzung und draußen nicht allzu heiß im Durchschnittssommer, dort ist vereinfachtes Verfahren anwendbar und sehr treffsicher."
Das alte, vereinfachte Verfahren reicht also in vielen Fällen nicht mehr aus, um unter den neuen Anforderungen - Stichwort Klimaerwärmung - die Sommertauglichkeit sicherzustellen.
Was bietet nun das neue Verfahren, im Folgenden als Tagesgangverfahren bezeichnet?

Im Tagesgangverfahren wird das Außenklima durch einen Temperaturverlauf und einen Verlauf der solaren Bestrahlungsstärke, beides im Stundenintervall, simuliert, ebenso der Tagesverlauf der inneren Wärmelasten durch Personen und Geräte und Beleuchtung.
Die Wärmelasten hängen von der jeweiligen Nutzungsart des Gebäudes ab, z.B. Wohngebäude, Büro, Schule.
Die Art der Nachtlüftung kann ausgewählt werden: D.h. sind die Fenster bzw. Türen im simulierten Raum während der Nacht geöffnet, gekippt oder geschlossen? Auch der Beitrag einer eventuell vorhandenen mechanischen Lüftungsanlage (bzw. raumlufttechnischen Anlage) zur Raumkühlung wird berücksichtigt.

Welches Außenklima wird angenommen?

Univ.-Prof. Thomas Bednar:
"Das ist die Temperatur, die nur noch im langjährigen Mittel an 13 Tagen überschritten wird. Das ist eigentlich mehr der typische Durchschnittssommertag in der Katastralgemeinde, aus den letzten 30 Jahren herausdestilliert."
Das anzunehmende Außenklima repräsentiert also keinen extrem heißen Sommertag; es entspricht einem durchschnittlichen Sommertag, genau gesagt einem 15. Juli im langjährigen Mittelwert.

Diese Mittelwerte der Außentemperatur können für jede Katastralgemeinde aus einer Excel-Datei auf der Website des Österreichischen Instituts für Bautechnik OIB unter www.oib.or.at entnommen werden. Es ist aber in der Praxis nicht notwendig, diese Datei bzw. Tabelle herunterzuladen, denn die Werte aus dieser Tabelle sind in den verschiedenen Bauphysik- bzw. Energieausweisprogrammen, die ein Modul für einen Sommertauglichkeitsnachweis enthalten, hinterlegt.

Wann ist nun die Sommertauglichkeit im Tagesgangverfahren erfüllt?

Der Nachweis der Sommertauglichkeit ist erfüllt, wenn in Haupträumen tagsüber eine operative Temperatur von 27 °C , in Schlaf- bzw. Ruheräumen in der Nacht von 25 °C nicht überschritten wird. Die operative Temperatur wird als arithmetischer Mittelwert der Raumlufttemperatur und der mittleren Oberflächentemperatur berechnet.
Der Nachweis erfolgt raumweise, d.h. es sollte jeweils der sogenannte kritische Raum, also der Raum, der aufgrund seiner Orientierung, seiner Fensterflächen, etc. voraussichtlich am stärksten zur Überwärmung neigt, für den Nachweis gewählt werden.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei Erfüllung des Nachweises der Sommertauglichkeit gemäß ÖNORM B 8110 Teil 3 im Grunde nur ein Minimalstandard bezüglich des Sommerkomforts erfüllt wird. In der Norm sind auch Güteklassen des Sommerkomforts definiert, mit Hilfe derer auch ein besseres und schlechteres Sommerverhalten als jenes, dass die Norm gerade erfüllt wird, charakterisiert werden kann. Dazu später noch mehr.

Teil 3: Planungsrelevante Aspekte

Kurzbeschreibung: Der Sommertauglichkeitsnachweis ist mit gängigen Energieausweisprogrammen rein technisch mit wenigen Zusatzeingaben fast über "Knopfdruck" erledigt. Diese Zusatzeingaben beziehen sich allerdings auf die Nutzungsphase des Gebäudes und sind im Gespräch mit dem Bauherren bzw. künftigen Nutzer vorab zu klären. Vorausschauend, in bezug auf die anzunehmende weitere Entwicklung des Klimas in Richtung wärmere Extrema, sollte das neue dynamische Verfahren verwendet werden, da es strengere Maßstäbe anlegt als das alte, vereinfachte Verfahren. Es gibt in Gebäuden Räume, die mit dem vereinfachten Verfahren noch zulässig wären, mit dem neuen Verfahren aber nicht mehr. Die novellierte Sommertauglichkeitsnorm - Teil 3: Planungsrelevante Aspekte

Der zusätzliche Zeitaufwand für die Berechnung bei Anwendung des Tagesgangverfahrens ist sehr begrenzt. Die Berechnung wird in der Regel mit einem Bauphysik- bzw. Energieausweisberechnungsprogramm erfolgen, das auch ein Modul für den Sommertauglichkeitsnachweis integriert hat.

Univ.-Prof. Thomas Bednar:
"Eine Bauphysiksoftware kann klassischerweise Energieausweisberechnung machen, sommerliche Nachweise und Schallschutznachweise. Ich wüsste keinen Softwarehersteller, der sich nur auf den Energieausweis spezialisiert hat."
Wie bisher sind Daten einzugeben, die den kritischen Raum charakterisieren, wie beispielsweise Bauteilaufbauten der umschließenden Flächen; Größe und Orientierung der Fenster oder Art eines ggf. vorhandenen Sonnenschutzes. Ansonsten sind wenige zusätzliche Eingaben für das Tagesgangverfahren erforderlich, wie Thomas Bednar erläutert:

Univ.-Prof. Thomas Bednar:
Der Unterschied, ob vereinfachtes Verfahren oder detaillierte Simulation verwendet wird, ist in den Softwaretools nicht genau erkennbar, was der im Hintergrund genau macht. Man erkennt es an der Ausgabe. Für das detaillierte Verfahren muss man den Standort definieren und gesagt haben, ob die Fenster gekippt oder geöffnet werden können. Und welche Nutzung man tatsächlich in dem Raum hat. Mit diesen 3 kleinen zusätzlichen Eingaben mehr kommt dann nach einigen Sekunden ein Temperaturverlauf heraus.
Diese 3 Eingaben sind wichtiger Teil der Besprechung zwischen Bauherr und Planer. Zu oft, besonders bei Einfamilienhäusern, reden Planer nicht mit Bauherrn darüber, wie Haus im Sommer genützt werden kann. Wird im EG Fenster gekippt oder geöffnet, wie ist Durchströmung möglich? Wie schätzen die BewohnerInnen die Sicherheitssituation ein? Werden sie die Fenster öffnen? Haben sie Gitter, Alarmanlage, scharfen Hund? Da legt Bauherr Sommernutzung fest, dann Planer 3 Klicks im Softwaretool. Dann Rückmeldung an Bauherrn, wenn er es im Sommer so nützt wie geplant, dann angenehm oder unerträglich heiß. Daraufhin Diskussion weitere Planung, Maßnahmen, welche Größe Haus, Sonnenschutz oder nicht usw.
Wesentlich ist also auch die Kommunikation mit den Gebäudenutzern, um ein möglichst realistisches Planungsergebnis zu erzielen.
Was sich allerdings geändert hat, ist der Umstand, dass der Nachweis der Sommertauglichkeit bei Anwendung des Tagesgangverfahrens oft schwieriger ist als bei Anwendung des vereinfachten Verfahrens. Dazu Richard Hofer und Christoph Lang, beide Mitarbeiter im Bauphysikbüro Schöberl und Pöll:

Richard Hofer:
"Räume, die mit der alten Sommernorm erfolgreich nachgewiesen werden konnten, sind mit der neuen Sommernorm nicht mehr möglich. Da muss z.B. von innen- auf außenliegende Verschattung gewechselt werden. Die neue Sommernorm kann durch das dynamsche Rechenverfahren das genau und wirklichkeitsgetreu abzubilden."
Christoph Lang:
Meine Erfahrung ist, und die Vergleichsrechnungen haben gezeigt, dass die neue Sommernorm wirklich deutlich strenger ist als die bisherige. Bei der bisherigen ist es durchaus so: Sie können bei einem Gebäude einen Raum für sommertauglich errechnen, und es wird sich in der Praxis zeigen, dass die Temperaturen eigentlich nicht wirklich akzeptabel sind. Also, wenn sich das ganz knapp ausgeht, dann ist es in aller Regel nicht wirklich sinnvoll. [. . . ]
Bei der neuen Norm ist es durchaus so streng, dass z.B. innerstädtisch, es wird durchaus berücksichtigt, wo das liegt, also in Wien ist es ja die Realität, dass einfach viel mehr Speichermasse vorhanden ist, und dass in Wien die Temperaturen nicht so runter gehen, wir haben sehr viele Tropennächte in Wien. Da kommt vielfach heraus, dass Sie Außenverschattung brauchen. Und das ist etwas, was sich sehr gut mit der Erfahrung deckt.
In diesen Zitaten ist mit "alter Norm" das vereinfachte Verfahren und mit "neuer Norm" das Tagesgangsverfahren gemeint.

Das Tagesgangverfahren hat den wesentlichen Vorteil, dass es anschaulichere Ergebnisse liefert.
Denn - Hand aufs Herz - wer kann schon mit den Begriffen immisionsflächenbezogener Luftwechsel oder immisionsflächenbezogene Speichermasse tatsächlich etwas anfangen, welche die wesentlichen Ergebnisse des vereinfachten Verfahren darstellen?
Mit dem Tagesgangverfahren hingehen enthält man ein graphisches Ergebnis. Man sieht, wie sich die Temperatur im simulierten kritischen Raum im Tagesgang verhält. Wann wird welche Spitzentemperatur erreicht? Können die 27 Grad oder die 25 Grad eingehalten werden? Wie stark werden diese Temperaturen über- oder unterschritten?
Man sieht auch, welche Maßnahme wieviel bringt, d.h. beispielsweise: Um wieviel sinkt die Maximaltemperatur, wenn statt eines innenliegenden ein außenliegender Sonnenschutz vorgesehen wird; um wieviel sinkt die Maximaltempertur, wenn Nachtlüftung angenommen wird, etc.
Zu dem Punkt des Einflusses verschiedener Planungsparameter auf das Sommerverhalten gibt es auch ein eigenes Audiofile.

Fazit: Man sollte also dieses aktuellere Tagesgangsverfahren grundsätzlich positiv im Sinne einer Planungshilfe sehen und sich nicht vor neuen Anforderungen fürchten. Dazu Thomas Bednar:

Univ.-Prof. Thomas Bednar:
Das Problem ist, dass ein Baumeister nicht dasselbe Haus 20x geplant/gebaut hat, wo er aus Erfahrung weiß, dass es für dieses Haus an diesem Standort passt. In vielen Fällen werden Systeme weiter entwickelt, ergänzt, versucht den Energiebedarf zu senken, große südorientierte Verglasungen, etc. Falls wirklich schon 3x gebaut und es bei normaler Wohnungsnutzung keine sommerliche Überwärmung gab - nicht so leicht vor Ort zu messen (man braucht Durchschnittssommertage und innere Lasten für Wohnungen) -, dann kann man so weiterbauen. Ansonsten ist der Nachweis, den lernt jeder HTL-Schüler. Falls der Baumeister das noch nicht gelernt hat, dann aktuelles Lehrbuch für HTLs nehmen, seit 2010 inklusive Softwaretools enthalten (in 2-3 Tagen sich eindenken möglich). Dann braucht man nicht mehr hoffen, sondern kann es wirklich nachweisen.
An sich, es ist keine große Hexerei, die Berechnung. Wenn man das einmal mit ein paar Parametern an ein paar Standorten gemacht hat, wo man normalerweise baut, bekommt man sehr schnell ein Gefühl dafür, an welchen Standorten man wirklich einen außenliegenden Sonnenschutz braucht.

Teil 4: Rechtliche Situation, Güteklassen der Sommertauglichkeit, Zusammenfassung

Kurzbeschreibung: Wohngebäude sind so zu bauen, dass sie nicht aktiv gekühlt werden müssen. Es gibt gemäß ÖNORM B 8110 Teil 3 fünf unterschiedliche Güteklassen der Sommertauglichkeit, der normale Nachweis, also ohne Zusatzspezifikation seitens des Bauherren, liefert die mittlere Güteklasse "B". Leider ist in der Praxis die Handhabung seitens der Behörden bundeslandabhängig; nicht immer wird bei der Baueinreichung streng darauf geachtet, ob für das Gebäude ein Sommertauglichkeitsnachweis erbracht wurde oder nicht. Für Nicht-Wohngebäude ist der außeninduzierte Kühlbedarf "KB*" gemäß OIB Richtlinie 6 einzuhalten. Die novellierte Sommertauglichkeitsnorm - Teil 4: Rechtliche Situation, Güteklassen der Sommertauglichkeit, Zusammenfassung

Wie bereits erwähnt, lässt die OIB Richtlinie 6 das vereinfachte Verfahren für Wohngebäude generell zu. Für Nicht-Wohngebäude ist der außeninduzierte Kühlbedarf KB* gemäß OIB Richtlinie 6 einzuhalten.
In den Bauordnungen der Bundesländer ist grundsätzlich festgehalten, dass bei der Errichtung eines Gebäudes die Sommertauglichkeit zu beachten ist, die Überprüfung dieses Nachweises wird allerdings unterschiedlich streng gehandhabt.
In Wien beispielsweise wird der Nachweis der Sommertauglichkeit gemäß ÖNORM B 8110 Teil 3 im Zuge der Baueinreichung überprüft. Dazu Christoph Lang:

Christoph Lang:
In Wien ist es so, dass z.B. für Wohngebäude ÖNORM 8110 Teil 3, die klassische Sommernorm, für verbindlich erklärt wurde. D.h. das ist für jeden Raum einzuhalten, zumindest für jeden Aufenthaltsraum. [. . . ]
In Wien wird es durchaus kontrolliert. Es ist Teil des bauphysikalischen Gutachtens, dass ein Nachweis ÖNORM 8110 Teil 3 zu erbringen ist, und das muss für jedes Gebäude gemacht werden. Das wird auch überprüft. Aus meiner Erfahrung auch im Einfamilienhausbereich. Im Prinzip kann das der Baureferent der MA37 überprüfen, aber er gibt es auch immer wieder mal weiter an die MA37B, die spezialisiert ist auf Brandschutz und Bauphysik. Aber diese beiden Stellen überprüfen das.
Sprecher 1/2:
In Niederösterreich hingegen ist das Beilegen eines Nachweises der Sommertauglichkeit im Zuge einer Baueinreichung eine Kann-Bestimmung.

In der niederösterreichischen Bauordnung sind unter dem Punkt:
"Soweit dies zur Beurteilung des Bauvorhabens notwendig ist, hat die Baubehörde die Vorlage weiterer Unterlagen zu verlangen, wie z. B.:"
eine Reihe von möglichen weiteren Unterlagen angeführt, darunter als letzter Punkt "ein Nachweis der Einhaltung des sommerlichen Überwärmungsschutzes."

Selbst wenn also im Zuge einer Baueinreichung ein Nachweis der Sommertauglichkeit nicht explizit eingefordert wird, ist man doch auch in rechtlicher Hinsicht auf der sicheren Seite, wenn man einen derartigen Nachweis führt.
Gebäudedeklarationen wie klimaaktiv erfordern seit jeher einen Nachweis der Sommertauglichkeit, für Passivhäuser ist ebenfalls ein Nachweis erforderlich.

Eine Norm gilt im Streitfall als anerkannte Regel der Technik und daran orientiert sich der Sachverständige. Dazu der Energieberater Karl Lummerstorfer:

Karl Lummerstorfer:
"Nichts desto trotz, auch wenn es nicht gesetzliche Anforderung wäre, gelten Normen als aktueller Stand der Technik. Und im Zweifelsfall wird man sich auch in juristischen Fragen am aktuellen Stand der Technik orientieren wollen. Spätestens dort werden dann möglicherweise Haftungen daraus ableitbar sein. Wie oft das dann tatsächlich zum Tragen kommt, ist ein anderer Fall."
Das Tagesgangverfahren unterscheidet nun auch Güteklassen der Sommertauglichkeit.

Ähnlich wie beim Energieausweis, auf dessen Ergebnisseite die thermische Qualität eines Gebäudes auf einer Skala von A++ bis G abgebildet ist, ist in der ÖNORM B 8110 Teil 3 auch das sommerliche Verhalten eines Gebäudes klassifiziert.

Univ.-Prof. Thomas Bednar:
"Wovor schützt mich die Norm? Die Norm ist kein Luxuslevel, sondern Minimumerfordernis. Neu ist auch (optional) Klassifizierungsmöglichkeit des Sommerverhaltens. Oft waren Leute im A++Gebäude überrascht, dass Sommerperformance B ist. Jetzt wissen sie, dass es B ist und können überlegen, ob sie Vorkehrungen treffen wollen, wie man zu einem A++Sommergebäude kommt. Auch für den Fall, dass der Anstieg der Sommertemperaturen so wie prognostiziert, dass man dann auch gut gerüstet ist. Für diesen Fall macht das Vorsehen eines Nachrüstens des außen liegenden Sonnenschutzes stark Sinn."
Es sind hier fünf Güteklassen des Sommerkomforts definiert: A+, A, B, C, D.
Wenn die Sommertauglichkeit gemäß ÖNORM B 8110 Teil 3 erfüllt werden kann, d.h. falls entweder das vereinfachte Verfahren anwendbar und erfüllt ist oder das Tagesgangverfahren anzuwenden ist und die maximale operative Temperatur eingehalten werden kann, dann hat dieses Gebäude die Güteklasse B hinsichtlich des Sommerkomforts.
Eine höhere Güteklasse kann erreicht werden, wenn auch bei schärferen klimatischen Annahmen, d.h. bei höheren Außentemperaturen, die Anforderungen eingehalten werden können; analog erreicht das Gebäude eine niedrigere Güteklasse, wenn erst bei geringeren Außentemperaturen die Anforderungen erfüllt werden können.

Konkret:
Güteklasse A bedeutet, dass die Anforderungen auch erfüllt werden können, wenn der Außentemperaturverlauf um 1,5 Grad erhöht wird. Bei Güteklasse A+ kann in dieser Hinsicht der Außentemperaturverlauf sogar um 3 Grad erhöht werden.
Bei Güteklasse C werden die Anforderungen erst dann erfüllt, wenn der Außentemperaturverlauf um 1,5 Grad gesenkt wird. Im Fall von Güteklasse D ist sogar eine Senkung des Außentemperaturverlaufs um 3 Grad nötig, um die Anforderungen zu erfüllen.

Die novellierte Sommertauglichkeitsnorm - Das Wichtigste zusammengefasst

Im März 2012 wurde eine überarbeitete Version der ÖNORM B 8110 Teil 3 veröffentlicht.
In dieser Norm sind zwei Verfahren beschrieben, mit Hilfe derer der Nachweis der Sommertauglichkeit von Gebäuden, in denen keine mechanische Kühlung eingesetzt wird, geführt werden kann.

Die aktuelle Version der OIB-Richtlinie 6 vom März 2015 lässt nach wie vor das vereinfachte Verfahren für Wohngebäude generell zu.
Gemäß der aktuellen Version der ÖNORM B 8110 Teil 3 allerdings darf das sogenannte vereinfachte Verfahren nur dann angewendet werden, wenn es sich um Wohngebäude handelt, wenn der anzunehmende Tagesmittelwert der Außentemperatur am Standort kleiner gleich 23 °C ist, und wenn die Fenster in dem betrachteten Raum nachts offen gehalten werden können.

In allen anderen Fällen ist ein Verfahren anzuwenden, das den Tagesgang der operativen Temperatur simuliert, welches hier abgekürzt als Tagesgangverfahren bezeichnet wird.
Falls das Tagesgangverfahren anzuwenden ist, ist der Nachweis der Sommertauglichkeit dann erfüllt, wenn in Haupträumen tagsüber eine operative Temperatur von 27 °C , in Schlaf- bzw. Ruheräumen in der Nacht von 25 °C nicht überschritten wird.

Der zusätzliche Zeitaufwand für die Berechnung mit Hilfe des Tagesgangverfahrens ist sehr begrenzt. Die Berechnung kann mit einem Bauphysik- bzw. Energieausweisberechnungsprogramm erfolgen - diese Programme haben in der Regel auch ein Modul für den Sommertauglichkeitsnachweis integriert.

Beim Vergleich der Ergebnisse des vereinfachten Verfahrens mit denen des Tagesgangverfahrens zeigt sich, dass das Tagesgangverfahren "strenger" ist. D.h., es gibt Fälle, wo mit dem vereinfachten Verfahren der Sommertauglichkeitsnachweis eingehalten werden kann, aber mit dem Tagesgangverfahren dieser Nachweis nicht möglich ist.
Ein Vorteil des Tagesgangverfahrens ist, dass die Ergebnisse anschaulicher dargestellt werden und verschiedene Varianten relativ leicht simuliert und visualisiert werden können.

In der ÖNORM B 8110 Teil 3 sind fünf verschiedene Güteklassen des Sommerkomforts definiert. Kann der Nachweis beim anzunehmenden Außenklima eingehalten werden, entspricht dies der Güteklasse B. Zwei Güteklassen, A und A+, definieren einen höheren Standard des Sommerkomforts, d.h. hier kann auch bei noch höheren Außentemperaturen eine Überwärmung vermieden werden.
Um also auch für längere starke Hitzeperioden und damit für die Zukunft gut gerüstet zu sein, ist es sinnvoll, Gebäude mit der Güteklasse A oder A+ hinsichtlich des Sommerverhaltens anzustreben.

Hilfreiche Quellen

  1. Österreichisches Normungsinstitut. ÖNORM B 8110-3, Wärmeschutz im Hochbau - Teil 3: Vermeidung sommerlicher Überwärmung. 15. März 2012. url: https://shop.austrian-standards.at/action/de/public/details/419971/OENORM_B_8110-3_2012_03_15