Teil 1: Grundlagen des Verbrauchsmonitorings

Kurzbeschreibung: Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, bei einem fertigen Gebäude zu beurteilen, ob es sich um ein Passivhaus, das als solches geplant und gebaut wurde, handelt. Einige Nebeneinflüsse wie gewählte Raumtemperatur und reales Klima während der Heizperiode beeinflussen den tatsächlichen Heizwärmebedarf. Messdaten zeigen aber, dass Passivhäuser über eine größere Zahl gemittelt die Plandaten der 15 kWh/m2 a einhalten. Bei Ausreißern gilt es in einem bisweilen aufwändigeren Analyseverfahren, das Messungen umfasst, die Ursachen zu erforschen. Warmwasser- und Heizwärmeverbrauch sind in einem solchen Verfahren messtechnisch getrennt zu erfassen. Wie bewähren sich Passivhäuser in der Nutzungsphase?
Eine Serie in vier Teilen.
Teil 1: Grundlagen des Verbrauchsmonitorings

Die Theorie des Passivhauses ist sehr überzeugend, aber natürlich will ein Bauherr wissen, der ein Passivhaus gekauft hat, ob sein gebautes Gebäude auch den ursprünglichen Erwartungen laut Planung bzw. dem eigentlichen Passivhauskonzept entspricht. Wahrscheinlich ist, was den Parameter des Energieverbrauchs betrifft, diese Erwartungshaltung nirgends so hoch wie beim Gebäudetyp Passivhaus. Gerade der extrem niedrige Energieverbrauch ist ja, neben der hohen Behaglichkeit, das Kennzeichnende des Passivhauses. Überdies sind mittlerweile zwei wesentliche Energiekennzahlen innerhalb der Branche aber auch bei interessierten Bauherren bekannt, nämlich die berühmten 15 kWh pro m2 und Jahr und die 10 W/m2 . Da hat man endlich zwei konkrete Energiekennzahlen, die man rückwirkend in einem gebauten Gebäude überprüfen kann - oder doch nicht?

Gehen wir bezüglich dieser Fragestellung zunächst einen Schritt zurück, und fragen wir ganz grundsätzlich: Was kann man über ein einzelnes Haus aussagen? Bzw. stellen wir auf noch allgemeinerer Ebene zunächst fest: Nichts Materielles, was man heute kauft, ist heute exakt plangleich realisiert. Dies gilt, wenn man es genau betrachtet, sogar dann, wenn es sich um industriell seriengefertigte Produkte handelt. Auch Autos und Computer sind somit - penibel betrachtet - Unikate, wenngleich die Abweichungen für den Konsumenten bei ordnungsgemäßer Produktion nicht mehr feststellbar und auch nicht relevant sind. Diese Abweichungen innerhalb akzeptabler Grenzen zu halten ist Aufgabe des modernen Qualitätsmanagements.

Auch Häuser und natürlich auch Passivhäuser sind einmal gebaut nicht exakt ident mit dem Bauplan. Selbst wenn ein Haus exakt geplant ist, wird es also bereits beim Bau Abweichungen vom Plan geben.
Wenn wir einmal akzeptieren, dass also nichts perfekt ist, dann fordern wir, dass 1) eine Gruppe von Gebäuden wenigstens im Mittel den Erwartungen entspricht und dass die Abweichungen einzelner Gebäude nicht zu groß sind.
Sören Peper vom Passivhausinstitut in Darmstadt erläutert das an einem Ensemble von Passivhäusern, die vermessen worden sind. Das entsprechende Diagramm können Sie von der Website audioakademie.at unter dem Artikel zu diesem File downloaden.

Soeren Peper:
Und wenn wir uns das jetzt hier anschauen, haben wir bei diesen 32 Häusern - da sind die Endhäuser genauso dabei, da sind vier Reihenhäuserzeilen mit je acht Häusern dabei - kommt ein Mittelwert von 11,8 kWh heraus für alle Häuser. Das wurde so kalkuliert. Dann hat man die Häuser gemessen und hat in der ersten Heizperiode festgestellt - und wir reden hier nur vom Heizwärmebedarf d.h. es ist schon relativ aufwändig das zu messen, weil sie müssen ja alle anderen Effekte abziehen, zum Beispiel die Warmwasserbereitung darf da nicht mehr drin stecken, dann kommen Sie in der ersten Heizperiode auf 14,9 kWh als Mittelwert durch alle Gebäude. In der zweiten war es so ähnlich und in der dritten ist es hier eher ein bisschen gesunken. Das ist aber eher Zufall, oder liegt an der Eingewöhnung auch der Bewohner. Das kann aber auch in die andere Richtung gehen, das ist jetzt hier keine Gesetzmäßigkeit, sondern ist hier so gewesen.
Wenn man sich die einzelnen Häuser dann anschaut, die 32 Häuser mit der Höhe der Verbrauchssäulen, dann sehen wir hier einen Verbrauch zwischen 3,5 kWh für die Heizung bis hin zu über 30 kWh. Also erstmal eine sehr große Streuung, man sieht auch ein bisschen Ausreißer hier am Ende, aber in diesen Größenordnungen kann sich das bewegen. Entscheidend ist: Alle diese Bewohner haben ein warmes Haus und sind zufrieden gewesen mit den behaglichen Zuständen in ihrem Haus. D.h., wenn wir - und deswegen haben wir einen Grenzwert - wenn wir Häuser berechnen auf etwa 15 kWh optimieren, in diesem Fall waren es halt 11,8, dann können wir davon ausgehen, dass die Nutzer überhaupt nichts kaputtmachen, sondern dass jeder das kriegt, was er möchte. Der eine lebt halt von der Wärme des Nachbarn und sagt: Mir reichen auch 18 C, 19 C in meiner Wohnung und andere sagen, sie wollen 23 C haben. Und das macht sich dann bemerkbar genauso wie andere Nutzergewohnheiten wie zum Beispiel die Anwesenheit, koche ich zuhause, dusche ich zuhause oder gehe ich woanders hin - auch das beeinflusst die Heizwärme. All diese Sachen führen zu dieser Streuung, und wenn man sich diese Streuung genauer ansieht, dann sieht man, dass das eine Normalverteilung ist, eine sogenannte gaußsche Verteilung, und diese ist völlig normal.

Ob also Gebäude den Erwartungen entsprechen, was den Energieverbrauch betrifft, kann im Grund nur bei der Analyse einer größeren Zahl von Wohneinheiten festgestellt werden, da hier die Unterschiede im Nutzerverhalten bei der Betrachtung des Mittelwerts "weggemittelt" werden. Dies gilt nicht nur für Passivhäuser, sondern generell für Gebäude, d.h. auch für Niedrigenergiegebäude oder für Gebäude mit höherem Energiebedarf: Vergleicht man die gemessenen Energieverbräuche von baugleichen Wohneinheiten, so sind diese näherungsweise normalverteilt.

Im Zusammenhang mit dem Monitoring von Gebäuden sollte man immer zwischen den Begriffen Bedarf und Verbrauch unterscheiden. Der "Bedarf" ist der Planwert, jener Wert, den ein Gebäude bei Zugrundelegung einer wahrscheinlichen Nutzungsart aufweisen wird, der Verbrauch hingegen bezieht sich hingegen auf Messwerte, auf "harte Tatsachen" also. Messwerte können im einfachsten Fall aus den Brennstoffabrechnungen ermittelt werden, im besten Fall aus Energiezählern wie Wärmemengenzählern.

Soeren Peper:
"Das ist der gemessene Energieverbrauch, das ist auch nochmal wichtig zu sagen: Man muss unterscheiden zwischen Bedarf und Verbrauch, ja. Das ist ja auch der Unterschied, den wir hier am Anfang gesehen haben bei dieser Grafik, dass wir hier einen Bedarf haben. Das ist bei Standardbedingungen, das ist berechnet, und das andere sind wertvolle Messwerte, die relativ aufwändig sind zu erzeugen. Die hat man nicht für jedes Haus. Meistens hat man ja nur die Summe aus Warmwasser und Heizung, und das auseinander zu rechnen ist sehr schwierig, wenn man nicht noch Messgeräte einsetzt, weil die Schwankungen sehr groß sind im Warmwasserverbrauch. Dann mit so einem Minimalmonitoring kann man da so einiges machen, aber auf jeden Fall ist es ein großer Unterschied ob ich einen Bedarf habe, das ist eine theoretische Berechnung mit Standardwerten und ein gemessenen Verbrauch, und das wird hier verglichen. Und das kann man nur vergleichen, wenn wie gesagt die Werkzeuge spitz genug sind, also das PHPP gut genug ist."

Teil 2: Einflüsse auf den Unterschied zwischen berechnetem Energiebedarf und gemessenem Energieverbrauch

Kurzbeschreibung: Folgende Einflüsse auf den Energieverbrauch und entsprechende Abweichungen zum Planwert werden beleuchtet: durch die Nutzer gewählte, erhöhte Raumtemperatur, unnötiges Heizen im Sommer, mangelhafte Luftdichtheit, ein Klima im Messjahr, das deutlich von dem der Planung zugrundegelegten Klima abweicht, Wie bewähren sich Passivhäuser in der Nutzungsphase? - Teil 2: Einflüsse auf den Unterschied zwischen berechnetem Energiebedarf und gemessenem Energieverbrauch

Was beeinflusst jetzt am stärksten die Abweichungen der Planwerte eines Hauses, also des Bedarfs, von den gemessenen Verbrauchswerten?
Ein wesentlicher Einflussfaktor ist die Luftdichtheit, wie Sören Peper erläutert.

Soeren Peper:
Ich möchte die verschiedenen, also die größten Einflussfaktoren kurz nennen. Der eine Einflussfaktor ist die Luftdichtheit, die eine gewaltige Rolle spielt, weil, es wird meistens so ein bisschen unterschätzt, wenn man das anschaut: Man hat hier unten die Luftdichtheit, den n50-wert aufgetragen, die Passivhausgrenze hier bei 0,6 und wenn man hier für ein bestimmtes das Gebäude anschaut, wie das zusammenhängt, dann können Sie schauen, dass zum Beispiel dieses Haus bei 0,22 gemessen wurde und deutlich unter 15 kWh. Bei der 0,6 Grenze hätte dieses Haus theoretisch 15,4 kWh bei Normwetter. Alles die gleichen Komponenten, Sie haben die gleichen Fenster, die gleiche Lüftungsanlage, die gleichen Luftwechsel usw. nur die Luftdichtheit ändern wir , wir bohren ein paar Löcher mehr rein in diese Richtung, ja. D.h., wenn Sie hier von der 0,6 Grenze auf die in Deutschland gültige Energieeinsparverordnung gehen, da haben wir einen Anforderungswert von 1,5 bei Gebäuden mit Lüftungsanlage, dann kommen wir schon fast auf 20 kWh bei einem Haus, was hier eigentlich unter 15 hat, und wenn wir auf 3,0 gehen, und das sind durchaus Werte, die man ganz schnell antrifft bei Gebäuden, wo sich niemand um Luftdichtheit schert, dann kommen wir hier schnell auf die Verdoppelung nur des Energieverbrauchs aufgrund - -bedarfs muss man sagen, es ist ja eine Bedarfsrechnung keine Messung - nur aufgrund der Luftdichtheit, der Verschlechterung der Luftdichtheit.
Sören Peper nennt weitere Einflussfaktoren, die dazu führen, dass ein gemessener Verbrauch von einem berechneten Bedarf abweichen kann.

Soeren Peper:
Ich habe zum Beispiel einen kleinen Effekt eventuell, dass die Leute im Sommer heizen. Obwohl das Gebäude eigentlich schon warm genug ist, wird vergessen die Heizung auszuschalten, oder die funktioniert nicht richtig, oder es wird falsch geregelt, da gibt es alles Mögliche. Dann haben wir vielleicht einen kleinen Beitrag durch eine Sommerheizung.
Wir haben einen Beitrag bei fehlender Luftdichtheit, den ich eben ergänzt bzw. erklärt hatte, den ich hier mal angesetzt habe: Zum Beispiel wenn ich statt 0,6 1,5, habe schon mal 4 kWh dazu.

Ich kann Wärmebrücken, da kann man auch beliebig große Abweichungen bekommen, aber wenn ich dann ein paar Sachen nicht nachgeführt habe, wenn ein paar Sachen nicht optimal gelaufen sind, habe ich hier mal angenommen 1 kWh, weil ich mehr Wärmebrücken habe.

Ich kann zusätzlich noch den Klimaeinfluss von dem Messjahr, von dem realen Jahr, in dem ich das Haus bezogen habe oder wo ich die Messdaten anschaue, da kann ich natürlich auch schnell mal bei einem kälteren Winter so einen Einfluss bekommen: 5 kWh sind da durchaus denkbar, ohne dass jetzt riesig, gewaltig Annahmen zu treffen sind.

Und was ganz besonders realistisch und immer wieder zu finden ist: Sie haben nicht 20 im Haus sondern 22. Und das ist auch das was man oft misst. 21,5 habe ich in meinen Messungen von unserem Institut, haben wir so 21,5 im Durchschnitt im Gebäude gemessen, war es kostet ja kaum noch etwas mehr, und ich fühl mich da behaglicher. Dann habe schnell mal auch 5 kWh mehr. Und wenn Sie nun diese ganzen Annahmen aufsummieren, die jetzt hier natürlich einfach beispielhaft da sind, und die werden nicht alle gleichzeitig auftreten, aber man sieht man kriegt - und darauf habe ich es hier angelegt natürlich - eine ähnliche Größenordnung in dem Gebäude, wie das eigentlich der Ausgangswert ist.

(Und da ist nichts falsch berechnet worden, sondern es kommen einfach verschiedene Einflussfaktoren dazu und die sind insbesondere die Raumtemperatur und der Klimaeinfluss, das sind Sachen, wir immer haben, und die regen uns gar nicht auf. Dann hat das Haus halt in der Nutzung 17 oder 19 kWh, und wenn dann noch einer ein Fenster öfter aufmacht und im Winter sagt, er will unbedingt mit offenem Fenster schlafen: Bitteschön, können Sie machen, funktioniert trotzdem. Wenn es ihm zu kalt wird, macht er schon zu, aber das Haus funktioniert, und es hat dann halt ein klein bisschen Mehrverbrauch. Aber macht nichts. Deswegen muss man vorsichtig sein, wenn man versucht, den Verbrauchswert zu bewerten. Das Ganze geht aber nur, so gutmütig dieses Haus damit reagiert, wen wir von vornherein eine Grenze einziehen, und die liegt bei 15 kWh bzw. eigentlich bei 10 W/m2 . Und dann haben wir die Probleme nicht, sondern wir haben einfach gewisse Abweichungen und Schwankungen, die wir da in jedem Haus erwarten können.)

Sprecher 1/2:
Wie sieht es damit aus, dass man davon ausgehen kann, das Nutzerinnen und Nutzer mittlerweile oft schon höhere Temperaturen als die bislang standardmäßig verwendeten 20 C bevorzugen. Sollte man nicht in der Planung im PHPP gleich einen höheren Temperaturwert einsetzen?

Soeren Peper:
Genau: Das ist es natürlich ein Effekt. Das kann man diskutieren. Man kann im PHPP einfach diese Temperatur ändern. Das geht nur für das gesamte Gebäude, Sie können da nicht jedes Zimmer ändern, sondern weil das Haus so gut gedämmt ist, sind die Unterschiede nicht mehr so groß. Dann stellt man halt auf 21 oder 22. Das ist jedem selbst überlassen.
Die Norm DIN Norm in Deutschland rechnet aber bei 19, und das finden wir schon nicht mehr logisch, weil man kann natürlich einfach auch bei 17 rechnen, dann stehen die Häuser besser da, das macht nur irgendwie keinen Sinn.
Wir wollen aber auch nicht extra schlecht dastehen, weil wir bei 23 rechnen. Das macht ja auch keinen Sinn. Also wir müssen ja irgendwie vergleichbar bleiben. also wie sollen alle bei 20 rechnen, oder wie auch immer.
Wer sagt, na ja, ich möchte es realistisch haben, ich weiß schon, ich baue ein Altenheim oder ein Krankenhaus: Da würden wir von vorneherein sagen, Moment, Komfort, die Leute brauchen es wärmer, das wissen wir jetzt schon, das rechnen wir einmal einer höheren Temperatur.
Sie können ja auch beides darstellen. Also diese Veränderung der Innentemperatur ist im PHPP, dauert eine Sekunde, dann haben Sie die Veränderung, also das ist kein Problem, nur ist es auch nicht einsehbar warum jetzt ausgerechnet Passivhäuser von vornherein auf höhere Temperaturen unkommentiert gerechnet werden, aber machen kann das jeder, wie er möchte, sage ich mal.

Teil 3: Der Rebound-Effekt

Kurzbeschreibung: Dass ein möglicher Einspareffekt aufgrund verbesserter Energieeffizienz durch verändertes Nutzerverhalten kompensiert oder gar überkompensiert werden kann, wird als "Reboundeffekt" bezeichnet. Dieser Effekt ist allerdings im Passivhaus, was die entsprechenden erhöhten Energieverbrauch betrifft, vergleichseweise wenig relevant, da die absoluten Verbräuche sehr gering sind. Wie bewähren sich Passivhäuser in der Nutzungsphase? - Teil 3: Der Rebound-Effekt

Dass ein möglicher Einspareffekt aufgrund verbesserter Energieeffizienz durch verändertes Nutzerverhalten kompensiert oder gar überkompensiert werden kann, wird als "Reboundeffekt" bezeichnet.
Im Bereich der Beheizung von Gebäuden wirkt der Reboundeffekt derart, dass in gut gedämmten Gebäuden die höhere Behaglichkeit bei gleichzeitig deutlich niedrigeren Energiekosten dazu führen kann, dass die Räume nunmehr im Schnitt auf höheren Temperaturen gehalten werden im Vergleich zu früher. So fällt also auch der Energieverbrauch meist höher bzw. die Energieeinsparung geringer aus, als man es aufgrund des bisherigen Verhaltens der Nutzerinnen und Nutzer annehmen hätte können.
Das kennt man auch von Besitzerinnen und Besitzern thermischer Solaranlagen: Da man ja nun kostengünstig warmes Wasser zur Verfügung hat, muss man nicht mehr so sparen, das Motiv für Sparen ist ja Knappheit. Der Warmwasserverbrauch geht hinauf.

In einer Studie des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, der GBV, aus dem Jahr 2013 wurde der Energieverbrauch mit dem Energiebedarf von Gebäuden mit unterschiedlichen energetischen Standards verglichen. Dazu der klima:aktiv Bildungskoordinator Johannes Fechner:

DI Johannes Fechner:
InterviewFechner20150612x3, 2.10 - 3.45
Der Verband der gemeinnützigen Bauträger hat im Jahr 2013 eine Studie veröffentlicht, wo eben gezeigt wurde, dass im Schnitt das, was im Energieausweis steht, durchaus sich im Energieverbrauch der Gebäude wiederfindet, allerdings gibt es große Unterschiede in den verschiedenen Energiestandards.
Bei den thermisch schlechten Gebäuden hat man gesehen, der errechnete Energiebedarf ist höher als der tatsächliche Verbrauch. Das kennen wir aus der Energieberatung ohnehin sehr gut, wenn man weiß, das Gebäude hat keinen guten Standard, wird man bewußt heizen, wird nicht alle Räume auf Normtemperatur bringen, weil vollkommen klar ist, das kostet recht viel.
Im mittleren Bereich ist die Übereinstimmung recht gut gewesen, und im Bereich der Passiv- und Niedrigstenergiehäuser hat man dann eben gesehen, dass der errechnete Wert in der Praxis nicht erreicht wurde. In der Praxis wurde viel mehr an Heizenergie aufgewendet.
Und da ist dann die Frage, ist es allein das Nutzerverhalten, sind es doch Passivhäuser, die eigentlich keine waren - wo liegen da die Fehler. Es ist eine große Herausforderung, aus diesen Ergebnissen auch zu lernen, und eben in Zukunft wirklich dahinzukommen, dass man das, was versprochen wurde, schlußendlich auch bekommt.
Sprecher 1 / 2:
Die in dieser Studie ermittelten hohen Abweichungen zwischen Energieverbrauch und Energiebedarf sind also vermutlich nicht zur Gänze durch das Nutzerverhalten erklärbar, aber es ist doch ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Nutzerverhalten in Passivhäusern "verschwenderischer" ist imVergleich zu Gebäuden mit schlechterer thermischer Qualität.
Auch wenn der Reboundeffekt in Niedrigenerige- und Passivhäusern also tendenziell höher ist, kann dieser Effekt den relativ großen Effizienzvorsprung von Passivhäusern zwar etwas abschwächen, aber dennoch nicht zunichtemachen, was Sören Peper betont:

Soeren Peper:
Da kommt dann auch wieder so ein Argument von Kritikern, gerade im angelsächsischen Raum, die sagen, der Reboundeffekt macht doch alles kaputt. Der Reboundeffekt ist das, dass Sie eine Einsparung erzeugen, wodurch dann höhere Anforderungen der Bewohner wie zum Beispiel die höhere Raumlufttemperatur alles wieder dahin ist.
Das ist richtig bei Einsparungen von zum Beispiel 5 oder 10 %. Wenn Sie dann ein anderes Verhalten haben, dann ist es wirklich fast wieder weg oder sogar überkompensiert, sage ich mal, dass Sie sogar schlechter dastehen können, wenn es dumm ist. Aber wenn Sie eine Einsparung haben von 80, 90, 70 %, dann spielt der Reboundeffekt überhaupt keine Geige mehr, da ist nichts mehr kaputt zu machen, weil sie so weit unten sind. Dann haben sie halt ein bisschen mehr, so what? Das macht nichts. Und das ist ganz anders zu bewerten. Deswegen ist die Diskussion im angelsächsischen Raum über einen Reboundeffekt bei solchen extrem energiesparenden Gebäuden führt völlig in die Irre. Das ist wieder nur eine Scheindiskussion, die da geführt wird.

Teil 4: Monitoring-Ergebnisse aus dem Programm

Kurzbeschreibung: Die wichtigsten Ergebnisse aus einer Messevaluierung mehrerer Passivhaus-Objekte, die Wohnbauten, sowie eine Schulsanierung und zwei Büroneubauten umfassen, werden vorgestellt. Die wichtigsten Ergebnisse: Im großen und ganzen sind alle Bewohner zufrieden. Der spezifische Heizwärmebedarf wurde überall eingehalten. Gefundene Mängel waren: Bisweilen wurde zu trockene Luft bemängelt. In einem Fall gab es Probleme mit der sommerlichen Überwärmung. Der spezifische Primärenergiebedarf wird in keinem Fall eingehalten. Wie bewähren sich Passivhäuser in der Nutzungsphase? - Teil 4: Monitoring-Ergebnisse aus dem Programm "Haus der Zukunft"

Im Rahmen der österreichischen Forschungsrahmenprogramms "Haus der Zukunft" wurden in den Jahren 2007 und 2008 12 staatlich geförderte Passivhausdemonstrationsprojekte messtechnisch und auch sozialwissenschaftlich untersucht sowie einer sogenannten "Total Quality" Bewertung unterzogen. In dieser letzteren Bewertung werden auch Parameter wie der Standort beurteilt. Die Evaluierungsergebnisse flossen in einen frei verfügbaren Leitfaden ein. Darin sind 8 der 12 evaluierten Projekte beschrieben. Diese ausgewählten Projekte setzen sich wie folgt zusammen:

Vier Wohnungsneubauten plus ein Sanierungswohnprojekt, eine Schulsanierung und zwei Büroneubauten. Gemessen wurde einerseits die Einhaltung von Komfortparametern, nämlich der Raumtemperatur im Winter und im Sommer und auch der Raumluftfeuchte in diesen beiden Perioden, sowie andererseits die jeweiligen Energieverbräuche für Heizen - hier sogar klimabereinigt -, sowie für Warmwasser und für Stromanwendungen. Der Stromverbrauch wurde überdies separat als Haushaltsstrom, als Stromverbrauch für die Lüftung sowie als Allgemeinstromverbrauch erfaßt. Die spezifische Heizlast wurde nicht ausgewiesen.

Man muss vorweg anführen, dass sich seit dieser Evaluierung von 2007/08 einiges geändert hat, denn das älteste der untersuchten Objekte, die Passivhausanlage Utendorf im Westen Wiens, wurde bereits vor über 10 Jahren fertiggestellt. So sind mittlerweile bedarfsgerechte Steuerungen von Lüftungsanlagen viel breiter am Markt verfügbar, und derartige Steuerungen reduzieren den Stromverbrauch. Außerdem sind Anforderungen seitens des Passivhausinstitutes an Sanierungsprojekte mittlerweile auch leichter zu erfüllen, sie wurden gegenüber dem klassischen Passivhausstandard reduziert und als sogenannter EnerPhit-Standard formuliert. Die Evaluierungsergebnisse sind daher nicht unbedingt typisch für Projekte heutiger Zeit, aber sie geben zumindest einen Enblick in leichter und schwerer zu erreichende Ziele bei der Umsetzung eines Passivhausvorhabens.

Das Sanierungswohnprojekt Makartstraße schaffte es weder bei den Energieverbräuchen noch beim sommerlichen Komfort, auf die Werte des Neubausektors zu kommen. Vor allem aber was den Heizwärmeverbrauch betrifft, ist wichtig zu ergänzen, dass das Sanierungsprojekt nicht zur Gänze auf Passivhausstandard saniert wurde, denn das Erdgeschoß wurde lediglich auf Niedrigenergiehausstandard saniert.
Von den wesentlichen Ergebnissen der Evaluierung hier zuerst jene, die den Energieverbrauch betreffen:

1. Der flächenspezifische, klimabereinigte Heizwärmeverbrauch hielt im Mittel bei drei Projekten den Planwert, wie er mit dem PHPP in der Projektierungsphase ermittelt wurde, ein. Das Sanierungsprojekt Makartstraße lag hier extrem, nämlich fast zu 100% über dem Planwert des Projektes.

2. Was die damals obere zulässige Grenze der Endenergiekennzahl für ein Passivhaus von 42 [kWh/m2 a] gemäß Passivhausinstitut betrifft, konnte sie in keinem Fall unterschritten werden. Eine Ursache ist der Stromverbrauch, der wesentlich höher als erwartet ausfiel, z. B. im Projekt Dreherstraße. Der Stromverbrauch alleine überstieg bisweilen die damalige Obergrenze für die Endenergie von 42 kWh/m2 /a. Schöpft der Stromverbrauch somit den gesamten Bereich aus, dürften Heizung und Warmwasser keine Energie mehr benötigen.

3. Die Primärenergiekennzahlen der Projekte liegen 22 bis 26% über den projektierten Werten. Nimmt man diese Anforderung des Primärenergiebedarfs des Passivhausinstitutes also ernst, ist sie schwer zu erreichen.

4. Der Lüftungsstromverbrauch der Projekte mit dezentralen Lüftungsgeräten betrug 5% (Projekt Roschégasse) bzw. 3% (Projekt Makartstraße) des Gesamtstromverbrauchs. Die zentralen Lüftungsanlagen hingegen wiesen einen hohen Stromverbrauch von 14% (Projekt Dreherstraße) bis 18% (Projekt Mühlweg) des Gesamtstromverbrauchs auf.

Und hier Evaluierungsergebnisse zu Komfortparametern. Wichtig ist aber zu erwähnen, dass bei NutzerInnenbeschwerden immer klar sein muss, dass es gemäß den Ergebnissen des schwedischen Forscher Ole Fanger, die seit den 1970er Jahren bekannt sind, immer mindestens 5% der BewohnerInnen geben wird, die mit der thermischen Behaglichkeit unzufrieden sind. Kritische Stimmen von BewohnerInnen sind also nicht immer ein Zeichen, dass etwas schiefgelaufen ist, sondern erst bei einem Übersteigen eines Mindestanteils von deutlich über 5% sollte man sich fragen, ob es ein grundsätzliches Problem in der Planung oder Umsetzung gab. Der überwiegende Anteil der BewohnerInnen bzw. NutzerInnen war jedenfalls in allen Projekten zufrieden. Nun zu den wichtigsten Ergebnissen im Bereich Komfort:

1. In keinem Fall sank die Raumtemperatur während der Heizperiode unter 21°C , der Komfort in der Heizperiode bezüglich der Raumtemperatur war also gewährleistet.

2. Die gemessenen mittleren Raumtemperaturen lagen in den Wintermonaten für alle Projekte sogar über 22 °C . Auffällig war, dass die Raumtemperatur gerade im Sanierungswohnprojekt Makartstraße deutlich, nämlich 1 bis 1,5 °C über den anderen Projekten lag. Dass die gemessene mittlere Raumtemperatur derartig deutlich über dem Defaultwert des PHPP von 20 °C liegt, zeigt, das Planungen mit diesem Defaultwert von 20 °C unrealistisch sind und der Wert eher bei 22 °C anzusetzen ist. Dies wurde zuvor bereits in diesem Audiofile mit Soren Peper vom Passivhausinstitut kurz diskutiert.

3. Die Sommertauglichkeit stellte sich in einem Projekt, Dreherstraße, als durchaus kritisch heraus. Es gab einige Bewohnerinnen, die sich negativ über das zu heiße Sommerklima äußerten.

4. Insgesamt waren auch die Anforderungen an die Raumluftfeuchte im wesentlichen erfüllt. Kritik gab es aber bisweilen durch die Bewohnerinnen wegen zu trockener Luft, bzw. wiesen Messergebnisse darauf hin, so bei den Wohnprojekten Roschégasse und Mühlweg, beim Büroneubau "Eine Welt Handel AG Niklasdorf" und bei der Schulsanierung Schwanenstadt.

Hilfreiche Quellen

  1. Eva Bauer. Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit Investitions- und Nutzungskosten in Wohngebäuden gemeinnütziger Bauvereinigungen unter besonderer Berücksichtigung energetischer Aspekte. Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen - Revisionsverband, Okt. 2013. url: http://www.gbv.at/Document/View/4345
  2. Österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), Berichte aus Energie- und Umweltforschung in der Förderprogrammschiene "Haus der Zukunft" http://www.hausderzukunft.at, Hrsg. Energietechnische, baubiologische und nutzerspezifische Begleituntersuchung zu innovativen Baukonzepten, der im Rahmen Haus der Zukunft umgesetzten Projekte. 2008. url: http://www.hausderzukunft.at/results.html/id2775 (besucht am 03. 04. 2016)
  3. Österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), Berichte aus Energie- und Umweltforschung in der Förderprogrammschiene "Haus der Zukunft" http://www.hausderzukunft.at, Hrsg. Leitfaden: Ergebnisse der messtechnischen Begleituntersuchungen von "Haus der Zukunft"-Demonstrationsbauten. 2008. url: http://www.hausderzukunft.at/publikationen/view.html/id806 (besucht am 03. 04. 2016)
  4. Österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), Berichte aus Energie- und Umweltforschung in der Förderprogrammschiene "Haus der Zukunft" http://www.hausderzukunft.at, Hrsg. Zusammenfassende Vorträge unter "Themenworkshop: Monitoring und Evaluierung". 2011. url: http://www.hausderzukunft.at/results.html/id6446 (besucht am 03. 04. 2016)
  5. Österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), Berichte aus Energie- und Umweltforschung in der Förderprogrammschiene "Haus der Zukunft" http://www.hausderzukunft.at, Hrsg. Sozialwissenschaftliche Evaluationen in österreichischen Niedrigenergie-, Passiv-, Null- und Plusenergiebauten - Arbeitsgruppenbericht. 2013. url: http://www.hausderzukunft.at/results.html/id7217 (besucht am 03. 04. 2016)