Teil 1: Wie lassen sich Plusenergiegebäude definieren?

Kurzbeschreibung: Es gibt noch keine einheitliche verbindliche Definition für ein Plusenergiegebäude. Ein erster allgemeiner Entwurf aus einer staatlichen Förderausschreibung besagte, dass der jährliche Primärenergieverbrauch unter dem vor Ort produzierten Betrag an erneuerbarer Energie in einer Jahresbilanz liegen muss. Es folgt eine eingehende Besprechung der vier wichtigen Kriterien: Standort der Energieerzeugung, Berücksichtigung aller Verbraucher, Bilanzierungszeitraum sowie Fokus auf Primärenergiebedarf (bzw. Bedeutung der Bilanzgrenze)

Es folgt eine eingehende Besprechung der vier wichtigen Kriterien Standort der Energieerzeugung, Berücksichtigung aller Verbraucher, Bilanzierungszeitraum sowie Fokus auf Primärenergiebedarf (bzw. Bedeutung der Bilanzgrenze)
Was ist ein Plusenergiehaus?
Eine Serie in fünf Teilen
Teil 1: Wie lassen sich Plusenergiegebäude definieren?

Ein Plusenergiehaus produziert mehr Energie als es verbraucht. Punkt. Hinsichtlich einer Planungsvorgabe könnte das z. B. lauten: ein Passivhaus, ergänzt um eine große Photovoltaikanlage, evtl. sogar mit einem Stromspeicher. So plakativ und einfach könnte man die Definition des Plusenergiehauses auf den Punkt bringen.
Doch ist es wirklich so einfach? Welche Energie wird beispielsweise in der Bilanzierung berücksichtigt? Nur die für Heizen, Kühlen, Lüftung und Warmwasser? Auch die für Geräte und Beleuchtung? Vielleicht sogar die Energie für die Mobilität der Gebäudenutzer? Und inwieweit soll die Energie möglichst dann erzeugt werden, wenn sie tatsächlich benötigt wird? Oder ist das egal, und es reicht, wenn über ein Jahr betrachtet ein Plus übrigbleibt?
In diesem Beitrag wollen wir dem Begriff und Konzept des Plusenergiegebäudes etwas näher auf den Grund gehen und uns dabei mit folgenden Fragen beschäftigen:

Wie lassen sich Plusenergiegebäude definieren? Worin unterscheiden sich verschiedene Ansätze der Definition von Plusenergiegebäuden?
Wie schwierig ist es, bei einem Gebäude ins Plus zu kommen? Wo liegen die prioritären Planungsziele, um den Plusenergiestandard zu erreichen?
Wie sinnvoll ist es, Verbrauch und Erträge auf Basis einer Jahresbilanz einander gegenüberzustellen? Was bedeutet es, wenn andere Bilanzierungszeiträume herangezogen werden?
Wie wird der Passivhausstandard in Richtung "Plus" weiterentwickelt? Welche neuen Passivhausklassen gibt es?
(Macht die Optimierung eines einzelnen Gebäudes zum Plusenergiegebäude überhaupt Sinn? Welche Rolle spielen Plusenergiegebäude im übergeordneten Kontext der Energiewende?)

Wie lassen sich Plusenergiegebäude definieren? Gibt es bereits eine breit anerkannte Definition des Begriffs Plusenergiegebäude?

Noch gibt es keine einheitliche verbindliche Definition, die festlegt, was unter einem Plusenergiegebäude genau zu verstehen ist. Also eine Definition, die in einem rechtlich verbindlichen Dokument wie beispielsweise einer Norm oder einer Richtlinie festgehalten ist.
Aber Vorarbeiten in Richtung einer Integration des Plusenergiekonzepts in österreichische Normen wurden bereits gemacht. Und es gibt auch verschiedene Bemühungen, das Plusenergiekonzept international zu standardisieren, wobei in internationaler Sicht der Begriff des "Zero Energy Buildings" dominiert, was übersetzt "Null-Energie-Haus" bedeutet, also sich begrifflich etwas vom "Plusenergiehaus" unterscheidet..

In Österreich bekam der Begriff des Plusenergiegebäudes im Rahmen des Programms "Haus der Zukunft Plus" einen wesentlichen Impuls. Dieses Programm war im Jahr 2008 gestartet worden, die letzte Ausschreibung war im Jahr 2013 erfolgt. Das Motto lautete: "Vom Null- zum Plus-Energie-Haus".
Im Leitfaden zur 2. Ausschreibung der Programmlinie "Haus der Zukunft Plus" aus dem Jahr 2009 wird ein "Plus-Energie-Gebäude" folgendermaßen definiert:

Unter "Plus-Energie-Gebäude" wird ein Gebäude verstanden, dessen jährlicher Primärenergieverbrauch vor dem Hintergrund höchster Energieeffizienz unter der vor Ort produzierten erneuerbaren Energie liegt. Unter "vor Ort" wird innerhalb der Grenzen der Siedlung oder des Gebäudes bzw. in unmittelbarer Nachbarschaft hierzu verstanden.

Weiters heißt es im Leitfaden:

Die langfristige Vision für das "Gebäude der Zukunft" ist, die energetische Effizienz bezüglich Produktion und Betrieb derart zu erhöhen, dass über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden die treibhausrelevanten Emissionen in Summe auf Null reduziert werden. Das bedeutet, dass sich das Gebäude in der Betriebsphase vom Verbraucher zum Lieferanten von Energie entwickelt und somit dem Konzept des "Plus-Energie-Hauses" entspricht.

Auch wenn es also - insbesondere im internationalen Kontext - noch keine einheitliche Definition des Plusenergiegebäudes gibt, so trugen die allgemein formulierten Vorgaben des Programms "Haus der Zukunft plus" doch dazu bei, dass sich in Österreich ein ansatzweise einheitliches Verständnis entwickelte, was unter einem Plusenergiehaus zu verstehen ist.
Der Bauphysiker Helmut Schöberl fasst die diesbezüglichen Eckpunkte zusammen:

Helmut Schöberl:
Plusenergie ist so inflationär wie vor etlichen Jahren das Passivhaus inflationär war. Jeder hat das als Passivhaus verkauft, was bei weitem keines war und das ist beim Plusenergiegebäude genauso. Dabei ist es fast relativ einfach. Umgangssprachlich: Dass ein Gebäude mehr Energie produziert als es verbraucht. Aber der Hund liegt natürlich im Detail.
Ein ganz wichtiger Parameter (es gibt insgesamt 4 Parameter) ist aus meiner Sicht, dass die Energie am Standort erzeugt wird. Also nicht irgendwo beim Windkraftwerk, oder 5 km außerhalb, oder Ökostrom. Sondern am Standort muss die Energie produziert werden.
Der zweite wichtige Faktor ist: Was zählt man an Verbrauch dazu. Aus meiner Sicht: Das gesamte Gebäude inklusive der nutzerbedingten Geräte, d.h. inklusive der Haushaltsgeräte (beim Wohnbau) inklusive der Bürogeräte (beim Bürogebäude). Das ist die eigentliche Challenge. Ohne diese Geräte ist es relativ einfach, ein Plusenergiegebäude zu haben. Aber nur da lohnt es sich, und da lohnt es sich, auch gesamtenergetisch einfach weiter zu gehen.
Der dritte Punkt: Dass das quasi über ein gesamtes Jahr gerechnet wird. Also, dass wir nicht von einem energieautarkem Gebäude reden. Also jede Sekunde ist es selbständig und versorgt sich mit Strom, ich kann rundherum einen Burggraben machen und habe keine Außenversorgung, in jeder Sekunde habe ich Strom, bin also wirklich autark. Das ist kein Plusenergiegebäude. Ein Plusenergiegebäude erzeugt über ein Jahr gesehen mehr Energie als es verbraucht. Typischerweise im Sommer [erzeugt eine] Photovoltaikanlage mehr, im Winter weniger, dafür braucht es mehr Heizung. Aber über ein Jahr ist es im Plus.
Der vierte Faktor, der mir wichtig erscheint, dass wir die Plusenergie immer primärenergetisch betrachten. Das ist öfters mehr Herausforderung als normale Kilowattstunde. Aber das ist der vierte wichtige Punkt, dass Plus primärenergetisch im Plus heißt. Die anderen Sachen sind dann eher Details.
Aus meiner Sicht sind das die vier wichtigen Faktoren, wie ich ein Plusenergiegebäude definieren würde. Wie gesagt, insbesondere inklusive aller Geräte. Standby, die ganze Haustechnik sowieso, Kühlung sowieso, also die klassischen, aber eben auch die nutzerbedingten Geräte wie Bürogeräte, Haushaltsgeräte.
Gehen wir die von Helmut Schöberl erläuterten Kriterien für ein Plusenergiehaus nochmal Punkt für Punkt durch.

1. Wo wird die erneuerbare Energie, die dem Gebäude zugerechnet wird, erzeugt?

Die schärfste Definition lässt nur zu, dass diejenige Energie dem Gebäude als erzeugte Energie zugerechnet wird, die von Anlagen direkt am Gebäude stammt, also von einer gebäudeintegrierten Photovoltaik- oder Solarthermieanlage. Etwas weniger streng wird es schon, wenn die Energie, die am Grundstück des Gebäudes erzeugt wird, auch mitbilanziert wird und folglich zum Plus beitragen darf. Also beispielsweise durch eine Kleinwindkraftanlage oder durch eine Photovoltaikanlage am Grundstück erzeugte Energie.
Energieerzeugung am Standort meint also die Energie, die am Gebäude selbst oder am Grundstück erzeugt wird. Meist zieht man an der Grundstücksgrenze die Systemgrenze für Plusenergiegebäude.
Es sind aber auch weichere Definitionen möglich, die erneuerbare Energieerzeugung jenseits der Grundstücksgrenze zulassen. Beispielsweise wenn zugekaufte Biomasse oder zugekaufter Ökostrom mitberücksichtigt werden darf. Oder wenn die Gebäudenutzer in eine Windkraftanlage außerhalb der Grundstücksgrenzen investieren und ein Anteil der von dieser Windkraftanlage erzeugten Energie mitbilanziert werden darf.

2. Welche im Gebäude bzw. von den Gebäudenutzern verbrauchte Energie wird berücksichtigt?

Am einfachsten ist Plusenergie zu erreichen, wenn nur der mit dem Gebäudebetrieb unmittelbar verbundene Energiebedarf (für Heizung, Klimatisierung und Hilfsenergie) berücksichtigt wird. In der Regel werden aber auch die nutzungsbedingten Energiebedarfe (Elektrogeräte, Warmwasser, Beleuchtung) mitberücksichtigt.
Man könnte aber auch noch weitergehen und fordern, dass am Gebäude oder am Grundstück auch die Energie für die Mobilität der Gebäudenutzer produziert werden soll. Im Fall von Elektromobilität wäre das ja grundsätzlich möglich.
Oder man könnte die im Gebäude enthaltene graue Energie mitbilanzieren und fordern, dass ein Plus erst erreicht ist, wenn über die Lebensdauer des Gebäudes betrachtet auch die Energie für Herstellung, Abbruch und Entsorgung des Gebäudes am Standort produziert werden kann.

3. Über welchen Zeitraum wird bilanziert?

In der bisherigen Praxis beträgt der Bilanzierungszeitraum in der Regel ein Jahr. Das heißt, über ein Jahr gesehen soll das Gebäude mehr Energie liefern als es verbraucht, wobei - wie wir vorher erörtert haben - bereits die Frage ist, was alles zum Verbrauch gezählt wird. Die Bilanzierung über ein Jahr ist einerseits relativ einfach, andererseits aber auch günstig für das Erreichen des Plus. Wenn man von der bei Plusenergiegebäuden eingesetzten Standardtechnologie einer netzgekoppelten Photovoltaikanlage ausgeht, kann diese während der Frühjahrs- und Sommermonate einen Überschuss ins Stromnetz einspeisen, der das Erzeugungsdefizit während der Herbst- und Wintermonate zumindest bilanziell ausgleicht.
Würden stattdessen Monatsbilanzen herangezogen, wäre ein Plusenergiestandard bereits ungleich schwieriger zu erreichen: Dann müsste in jedem Monat ein Plus erzeugt werden, auch in den Wintermonaten mit hoher Heizlast und geringer Solarstrahlung. Das ist mit den heutigen Technologien und vertretbarem Aufwand, also ohne saisonale Speicherung, praktisch nicht möglich.
Noch schwieriger bzw. aufwändiger wäre es, wenn zu jedem Zeitpunkt ein Plus bzw. zumindest eine ausgeglichene Bilanz gefordert würde, also der Status eines netzunabhängigen, eines energieautarken Gebäudes angestrebt würde.

4. Wo liegt die energetische Bilanzgrenze bzw. in welchem Maßstab erfolgt die Bilanzierung?

Am einfachsten ist es, wenn sowohl für Erzeugung als auch für Verbrauch Endenergiemengen verglichen werden. Bei Betrachtung der Endenergie gilt das Gebäude als Systemgrenze. D.h. es wird die Energie gemessen, die im Gebäude verbraucht bzw. an das Gebäude geliefert wird. Energetische Verluste in den Vorketten, d.h. die Verluste bzw. Verbräuche , die bei der Förderung von Energiequellen, bei der Energieumwandlung in Kraftwerken, und beim Transport bis zum Gebäude entstehen, werden bei der Betrachtung der Endenergie nicht berücksichtigt.
Bei rein strombetriebenen (also auch strombeheizten) Gebäuden mit netzgekoppelter Photovoltaikanlage erscheint diese Art der Bilanzierung durchaus sinnvoll. Es wird dann einerseits gemessen, wie viel Strom für Betrieb und Nutzung des Gebäudes verbraucht wird und andererseits gemessen, wie viel Strom die Photovoltaikanlage produziert und diese Energiemengen verglichen. Wenn der sogenannte Eigenverbrauch abgezogen wird, werden die importierten und exportierten Energiemengen verglichen, d.h. es wird die vom Netz bezogene Strommenge mit der ins Netz eingespeisten Strommenge verglichen.
Wenn allerdings bei der Bilanzierung unterschiedliche Energieträger berücksichtigt werden müssen, wenn das Gebäude beispielsweise mit Holz, Erdgas oder Fernwärme beheizt wird und Energie am Gebäude mit einer netzgekoppelten Photovoltaikanlage produziert wird, müssen Primärenergiemengen verglichen werden, um einen "fairen" Vergleich zu ermöglichen. Das sind jene Energiemengen, die der Natur primär, also noch ohne jegliche Umwandlung und den damit verbundenen Verlusten, entnommen werden, also gefällte Bäume, abgebaute Kohle etc. Den Begriff der Primärenergie kennen Sie wahrscheinlich aus dem Energieausweis. Dort wird, zumindest in der offiziellen Version der OIB Richtlinie 6, der Primärenergiebedarf eines Gebäudes auf Seite 1 angegeben.

Teil 2: Wie schwierig ist es, ins Plus zu kommen?

Kurzbeschreibung: Die wichtigsten Ergebnisse aus dem Projekt "Smart ABC" werden vorgestellt, in dem mehrere Gebäudetypen in einer Simulation bezüglich ihrer "Plusenergiegebäudetauglichkeit" untersucht wurden. Fazit: Kein Gebäudetyp schafft es, Plusenergiegebäude zu sein. Ein starkes Hindernis bei diesem Vorhaben ist die Höhe des in Haushalten aktuell üblichen Stromverbrauchs. Wie schwierig ist es, ins Plus zu kommen?
Was ist ein Plusenergiehaus? - Teil 2: Wie schwierig ist es, ins Plus zu kommen?

Im Projekt "Smart ABC", welches im Rahmen des Programms "Haus der Zukunft Plus" durchgeführt wurde, wurden mit Hilfe von Simulationsrechnungen verschiedene Gebäudekonzepte hinsichtlich der Eignung für das Erreichen eines Plusenergiestandards untersucht.
Die modellierten Gebäude unterscheiden sich hinsichtlich der Gebäudegröße, der thermischen Qualität der Gebäudehülle, der Energieversorgungskonzepte für Heizen und Warmwasser und des Ausmaßes der erneuerbaren Energieproduktion am Gebäude durch Photovoltaik und bzw. oder Solarthermie. Die Annahmen im Überblick:

Gebäudegröße und -anordnung: Einfamilienhaus oder Mehrfamilienhaus mit 10 Wohneinheiten, entweder als Einzelgebäude oder im Verband von jeweils 9 Gebäuden auf quadratischen Grundstücken.
Gebäudehülle: Spezifischer Heizwärmebedarf von 10 kWh/m2 a oder 50 kWh/m2 a, berechnet gemäß Methodik des österreichischen Energieausweises; ein Gebäude mit einem HWB von 10 kWh/m2 Bruttogeschoßfläche und Jahr, berechnet gemäß Energieausweis, entspricht in etwa einem Passivhaus.
Energieversorgungskonzepte: Wärmeerzeugung mit Holzpellets- bzw. Hackschnitzelheizung oder Erdsonden-Wärmepumpenheizung; unterschiedliche Anteile von Solarthermie und Photovoltaik. Die solare Deckung durch Solarthermie und bzw. oder Photovoltaik sollte jeweils 50 oder nahezu 100% des Endenergiebedarfs ausmachen.
Sowohl Fassaden- als auch Dachflächen können für die gebäudeintegrierte Energieerzeugung genutzt werden. Solarthermische Anlagen werden vorrangig auf der Fassade, Photovoltaikanlagen vorrangig auf dem 45 Grad geneigten Dach angeordnet. Die Gebäude sind südseitig ausgerichtet. Das Flächenpotenzial ist relativ großzügig, bei einem Einfamilienhaus können auf der Fassade maximal 36 m2, auf dem Dach maximal 57 m2 für die gebäudeintegrierte Energieerzeugung genutzt werden.
Mit 2.800 kWh ist der Haushaltsstrombedarf pro Wohneinheit eher moderat angenommen.

Es ist im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich, auf Details der Ergebnisse des Projekts "Smart ABC" einzugehen, aber wesentliche Schlussfolgerungen seien hier angeführt. Wir zitieren aus dem Bericht, Kapitel "Ergebnisinterpretation":

Zusammenfassend kann behauptet werden, dass ein Plusenergiehaus bei den betrachteten Gebäudemodellen und Annahmen weder beim Primärenergieeinsatz noch bei den Treibhausgasemissionen möglich ist. Keine der betrachteten Haustypen mit keiner der eingesetzten Energieträger und Strombezüge bzw. Stromsubstitution erreicht den Plusenergiehaus-Status. Voraussetzung für die potentielle Erreichung ist in jedem Fall ein energieeffizientes Gebäude mit einem Heizwärmebedarf von rund 10 kWh/m2 und Jahr.
Die Stromerträge aus den Photovoltaik-Anlagen sind zu gering, um die Wärme- und Stromaufwände zu kompensieren, der Haushaltsstrom verursacht zu hohe Umweltauswirkungen.
Plusenergiehaus-Status unter Berücksichtigung von Treibhausgas-Emissionen und Primärenergie ist möglich, wenn der Haushaltsstrombedarf reduziert wird und/oder die Erträge erhöht werden.
Die Haushaltsstrommengen können vor allem durch Änderung des Lebensstils bzw. des NutzerInnenverhaltens im Plusenergiehaus erfolgen. Hier liegt noch viel primärenergetisches Potenzial.
Die Wärmeerträge könnten durch die Nutzung von Wärmeüberschüssen (z.B. aus Solarthermie, Biomasse) mit Mikronetzen und deren Ausgleichs- und Speichermöglichkeiten erhöht werden. Für höhere Stromüberschüsse durch PV-Anlagen müssten zusätzliche Flächen am Gebäude oder dessen Umfeld genutzt werden.

Die Ergebnisse des Projekts "Smart ABC" sind ernüchternd. Unter den in diesem Projekt verwendeten Annahmen und Bilanzierungsmethoden kann keines der Modellgebäude den Plusenergiestandard erreichen.
Ein Plusenergiestandard ist also - wenn überhaupt - nur möglich bei einem möglichst reduzierten Energieverbrauch. Das heißt konkret: Passivhausstandard für die Gebäudehülle, hocheffiziente Haustechnik, bester Effizienzstandard für Elektrogeräte im Haushalt bzw. Büro, aber auch bewusstes und sparsames Nutzerverhalten.

Teil 3: Wie sinnvoll ist die Jahresbilanz?

Kurzbeschreibung: Das Jahresbilanzkriterium (kann über das Jahr hinweg soviel Energie bereitgestellt werden, wie verbraucht wird?) wird sich à la longue als unzureichend erweisen, um Anforderungen eines gesamtheitlich stabilen Energiesystems zu erfüllen. Der "load match" Faktor wird als Maß vorgestellt, inwieweit ein Gebäude über das Jahr hinweg fähig ist, zeitgleich zum jeweiligen Bedarf die erforderliche Energie aus eigener Produktion bereitzustellen. (load match 100 % = energieautark bzw. netzuanbhängig). Wie sinnvoll ist die Jahresbilanz?
Was ist ein Plusenergiehaus? - Teil 3: Wie sinnvoll ist die Jahresbilanz?

Wolfgang Feist:
Das Plusenergiehaus wird ja heute von in einer ganzen Reihe von Gruppierungen verwendet, ist aber nicht präzise definiert, bis jetzt. Es klingt so einfach, aber einfach nur die Endenergiemengen zu bilanzieren, die zu irgendeinem Zeitpunkt verbraucht werden und die zu einem anderen Zeitpunkt dann möglicherweise ins Netz eingespeist werden, das trifft ja die Realität nicht.
Also wir müssen, um so eine Konzeption richtig zu greifen, müssten wir uns Gedanken darüber machen: Was kann ich denn netto am Ende wirklich von der Energie, die ich nach außen liefere, auch verwenden, wer kann es verwenden, und mit welchen Wirkungsgrad kann er es verwenden, und wie viel Aufwand muss ich betreiben für die restliche Energie, die von außen kommt.
Soweit Wolfgang Feist, Professor für Bauphysik an der Universität Innsbruck und Leiter des Passivhausinstituts in Darmstadt, zur Problematik des zeitlichen Auseinanderklaffens von Energiebedarf und Energieerzeugung. Sofern Verbrauch und Erzeugung nur in einer Jahresbilanz betrachtet werden, wie bei das bei gängigen Plusenergiedefinitionen üblich ist, bekommt man keine Information darüber, wann und in welcher Stärke dieses Auseinanderklaffen, auf englisch "der Mismatch", auftritt.
Im Zuge des ja gewünschten und sinnvollen steigenden erneuerbaren Anteils an der Stromproduktion werden aber die Punkte der zeitlichen Abstimmung von Erzeugung und Verbrauch, des Einbindens von Stromspeichern und einer Begrenzung der Belastung von Stromnetzen immer bedeutsamer.
Im Artikel "Ein internationales Spotlight auf die Bilanzierung von Null- und Plusenergiegebäuden", erschienen in der Zeitschrift "Erneuerbare Energie" im Jahr 2014, wird der Fokus auf die Jahresenergiebilanz kritisch diskutiert. Im folgenden ein Zitat aus diesem Artikel:

Auf internationaler Ebene wird zurzeit sehr stark über die Sinnhaftigkeit der Bilanz auf Jahresbasis diskutiert. In mittel- und nordeuropäischen Breiten wird in der Wintersaison immer Heizwärmebedarf gegeben, die Produktion vor Ort mit PV oder Solarthermie durch die schwächere Globalstrahlung naturgemäß aber niedriger sein. So lange Verbrauch und Produktion über eine Vielzahl an ProduzentInnen und NutzerInnen nicht besser übereinstimmen, stellt sich die Frage, was eingespeiste, aber nicht benötigte elektrische oder Wärmeenergie wert ist.
Das heißt, dass wenn ein Gebäude bei einer Betrachtung über ein gesamtes Jahr zwar als Null-Energiegebäude bilanziert werden kann, aber Gutschriften für die Bilanzierung nur vergeben werden, wenn tatsächlich eine Nachfrage besteht, dann wird das Ziel "Nullenergie" weit verfehlt, und das Netz übermäßig belastet. Dies zeigt sich bei monatlicher, stündlicher und erst recht bei laufender Bilanzierung (z.B. im 10 Minuten-Takt).

Der "load match" Faktor drückt aus, wie sehr Erzeugung und Verbrauch übereinstimmen, d.h. welcher Anteil des Energieverbrauchs durch zeitgleich erzeugte erneuerbare Energie gedeckt wird. Je näher dieser Faktor bei eins liegt, eine umso bessere Übereinstimmung ergibt sich zwischen Bedarf und Erzeugung, ein Faktor von Null würde keinerlei Übereinstimmung bedeuten. Der Artikel "Ein internationales Spotlight auf die Bilanzierung von Null- und Plusenergiegebäuden" stellt nun folgendes fest:

Bei einer stündlichen Bilanzierung einer Vielzahl untersuchter Gebäude lässt sich bei einem rein über PV-Strom versorgtem Nullenergiegebäude mit Wärmepumpe ein "load match"- Faktor von unter 30% feststellen.
Diese Disbalance kann durch den Zusammenschluss verschiedener Gebäude mit unterschiedlichen Nutzungen, dem vermehrten Einsatz von solarthermischen Kollektoren in Kombination mit Speichern und intelligenter Gebäudetechnik verringert werden.

Ohne Strom- und Wärmespeicherung können also nur 30 Prozent des benötigten Stromes können zeitgleich am Dach erzeugt werden.

Teil 4: Die Weiterentwicklung des Passivhausstandards: Passivhaus Plus und Passivhaus Premium

Kurzbeschreibung: Die seit 2015 seitens des Passivhausinstituts entwickelten neuen Passivhaus-Klassen "Passivhaus Classic", "Passivhaus Plus", "Passivhaus Premium" werden vorgestellt. Kernelement ist dabei die energetische Klassifizierung von Gebäuden nach einem neuen Maßstab, dem Faktor "Primärenergie Erneuerbar", der künftig sowohl die Effizienz des Einsatzes erneuerbarer Energien (erneuerbare Energie wurde bislang mit Null bewertet) als auch die Gleichzeitigkeit von Energieerzeugung und Energieverbrauch bewertet. Die neuen Passivhausklassen: Passivhaus Plus und Passivhaus Premium
Die Weiterentwicklung des Passivhausstandards: Passivhaus Plus und Passivhaus Premium
Was ist ein Plusenergiehaus? - Teil 4: Die Weiterentwicklung des Passivhausstandards: Passivhaus Plus und Passivhaus Premium

In der Frage, wie das Null- und Plusenergiekonzept zu definieren und umzusetzen sei, hat das Passivhausinstitut einen wesentlichen Beitrag geleistet (einen wesentlichen Meilenstein gesetzt). Seit April 2015 gibt es nunmehr drei Passivhausklassen: Passivhaus Classic, Passivhaus Plus, Passivhaus Premium.
Das Passivhausinstituts nimmt dabei die Kritik an der verbreiteten Jahresbilanzierung ernst, die wir schon erörtert haben, und berücksichtigt überdies den Umstand, dass sich aufgrund des wachsenden erneuerbaren Anteils an der Energieerzeugung Primärenergiefaktoren laufend ändern. Dazu Wolfgang Feist, der auch den Begriff des Primärenergiefaktors erläutert:

Wolfgang Feist:
Die orientiert sich an den heute verwendeten Primärenergiefaktoren. Die geben an, wie vielfach mehr Primärenergie brauche ich eigentlich für die Bereitstellung von zum Beispiel 1 kWh Strom. In der Regel wird der Strom heute aus fossilen Kraftwerken produziert, und diese fossilen Kraftwerke haben dummerweise auch noch regelmäßig vergleichsweise schlechte Wirkungsgrade. Das heißt: Ich bekomme einen recht hohen Primärenergiefaktor für die fossile Energie.
Für erneuerbare Energien sind diese Primärenergiefaktoren in der Regel kleiner. In der Übereinkunft ist es heute so, und das ist auch richtig für die Bemessung des Umweltschutzes, dass ich die erneuerbaren Energien bei diesem nicht erneuerbaren Primärenergiefaktor gar nicht mit berücksichtige. Die rechne ich also dort gar nicht mit hinein. Ich teile es auch mit, das sollten wir auch so machen.
Das hat aber dann zur Folge, dass dieser Primärenergiefaktor sich natürlich in nächster Zeit ständig verändern wird, weil wir - na hoffentlich - immer mehr erneuerbare Primärenergie in in unser System hineinbringen, das ist wichtig. das müssen wir tun. Damit nimmt dieser Primärenergiefaktor immer mehr ab, damit eignet er sich aber am Ende nicht mehr für die Bewertung der Effizienz meines Gebäudes.
Er eignet sich immer noch, um die Belastung der Umwelt zu bewerten, aber ich kann damit dieses Ausmaß der Gebäudeeffizienz nicht mehr bewerten, weshalb wir an dieser Stelle zu einem Neuvorschlag kommen, also wie man diese Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes inklusive auch der Haushaltsanwendungen. Das brauchen wir wirklich, das Passivhaus braucht so wenig Heizung, dass es keinen Sinn macht, das Kriterium nur auf die Heizung zu verwenden. Das ist ja vernachlässigbar wenig, also muss ich schon das Gesamtgebäude umfassen und muss dann für das Gesamtgebäude einen vernünftigen Maßstab finden, der wirklich die Effizienz abbildet.
Und der Weg, den wir gehen werden, ist der: Wir bilden dieses Gebäude dann in einer erneuerbaren Energiestruktur ab, also wir sagen: In 20, 30, 40 Jahren werden wir überall - nicht nur in Österreich - werden wir überall weitgehend auf erneuerbare Energie unsere Energiesysteme aufbauen müssen. Es kann gar keinen anderen Weg geben als diesen, und dann haben wir eine erneuerbare Versorgungsstruktur, und dann können wir die Effizienz der Gebäude auf der Basis dieser erneuerbaren Struktur beurteilen. Und das können wir aber jetzt schon machen, denn ein Neubau, den ich heute baue, der steht ja dann, und der wird dann die meiste Zeit seiner Nutzung, seiner Nutzungszeit, in dieser Zeit stehen mit der Versorgung mit erneuerbaren Energie. D.h., ich bin gut beraten, wenn ich heute bereits so baue, dass das dann passt.
Das Passivhausinstitut ging der interessanten Frage nach: Wie müssen wir Gebäude bewerten, also Anreize schaffen, sodass sich der zukünftige Gebäudebestand so entwickelt, dass die begrenzte erneuerbare Energie für möglichst viele Menschen ausreicht?
Das vom Passivhausinstitut neu entwickelte Schlüsselkonzept sind die PER-Faktoren. PER steht für "Primary Energy Renewable" bzw. "Primärenergie Erneuerbar". Für die Ermittlung dieser PER-Faktoren wird davon ausgegangen, dass das Gebäude von einer Energieversorgungsstruktur umgeben ist, die zur Gänze auf erneuerbaren Energien basiert.
Das vom Passivhausinstitut modellierte Szenario der zukünftigen Energieversorgung basiert auf Strom aus erneuerbarer Erzeugung. Die drei Primärerzeuger sind Photovoltaik sowie Wind- und Wasserkraft. Da Biomasse ein speicherbarer Energieträger mit hoher Energiedichte ist, wird angenommen, dass diese künftig überwiegend für den Betrieb von Fahrzeugen eingesetzt wird. Zusätzlich zur Primärerzeugung aus Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft gibt es im modellierten Szenario zwei Arten von Stromspeichern:
Kurzzeitspeicher (wie Pumpspeicher oder Akkumulatoren) mit relativ geringen Umwandlungsverlusten.
Saisonale bzw. Langzeitzeitspeicher mit relativ hohen Umwandlungsverlusten. Als Speichermedium wird dabei interessanterweise synthetisches Methan vorgeschlagen, also nicht, wie es jahrelang breit propagiert wurde, Wasserstoff oder chemische Batteriespeicher.

Für die Bestimmung der PER-Faktoren ist die Gleichzeitigkeit von Energieerzeugung und Energieverbrauch ausschlaggebend, denn daraus bestimmt sich, wie viel Energie zwischengespeichert bzw. aus Speichern bezogen werden muss. Je nach Verbrauchsprofil ergibt sich eine spezifische Mischung aus des Strombezugs: Direktverbrauch von primär erzeugtem Strom, Verbrauch aus dem Kurzzeitspeicher und aus dem saisonalen Speicher.
Da für das Heizen relativ viel Energie aus dem saisonalen Speicher bezogen werden muss, was mit entsprechend hohen Umwandlungsverlusten verbunden ist, ist der PER-Faktor für Heizen relativ hoch. Hingegen ist dieser Faktor für Kühlen relativ gering, da hier eine relativ große Gleichzeitigkeit von Energieangebot, nämlich der Sonneneinstrahlung, und Energiebedarf besteht und deshalb nur in einem geringen Ausmaß auf gespeicherte Energie zurückgegriffen werden muss.

Wie sind nun die neuen Passivhausklassen konkret definiert?

Wie bisher gelten auch für die neuen Passivhausklassen die altbekannten oberen Grenzen von 15 kWh/m2 a für den spezifischen Heizwärmebedarf und von 10 W/m2 für die spezifische Heizlast, beides berechnet nach PHPP, sowie das Luftdichtheitskriterium von einem maximalen n50-Wert von 0,6 pro Stunde.
Die neuen Passivhausklasssen unterscheiden sich nunmehr hinsichtlich zweier Kriterien:
1. Ein maximaler flächenspezifischer Bedarf an erneuerbarer Primärenergie (oder PER-Bedarf) in kWh/m2 a. Enthalten ist in dieser Kennzahl der Bedarf für Heizen, Kühlen, Entfeuchten, Warmwasser, Licht, Hilfsstrom und Elektrogeräte.
2. Die flächenspezifische Erzeugung an erneuerbarer Energie in kWh/m2 a. Wesentlich ist, dass sich diese Kennzahl auf die überbaute Grundfläche und nicht auf die Energiebezugsfläche, also nicht auf die Wohn- bzw. Nutzfläche, bezieht. Wäre diese Kennzahl auf die Nutzfläche anstatt auf die Grundfläche bezogen, würden eingeschoßige Gebäude gegenüber mehrgeschoßigen Gebäuden hinsichtlich dieses Kriteriums bevorzugt, obwohl eingeschoßige Gebäude bezogen auf die Zahl unterbringbarer Personen einen deutlich höheren Flächenverbrauch aufweisen.

Wolfgang Feist:
Das hängt auch zum Beispiel stark davon ab, ob das Gebäude, was wir da betrachten, irgendwo frei auf dem Land steht als eingeschossiger Winkelbungalow, sage ich mal, da haben Sie große Solarflächen verfügbar, da können Sie leicht viel Solarenergie gewinnen, oder ob es ein fünfgeschossiges Wohngebäude in einer Innenstadtverdichtung ist, da haben Sie möglicherweise gar keinen vernünftigen Solarzugang. Dann würde so der Eindruck entstehen, als ob dieses letztere nun ein schlechteres Gebäude wäre.
Das ist es aber definitiv nicht, ganz im Gegenteil, wenn Sie an die eigentlich limitierende Größe, da haben wir schon mal darüber gesprochen, nämlich den Flächenbedarf, denken, ist die Lösung der Innenstadtverdichtung ganz sicher die bessere Lösung, ökologisch gesehen, das heißt, es ist entscheidend, dass diese Objekte, egal, ob es das eine oder das andere ist, dass die mal sehr effizient sind, damit sie wenig von der wertvollen Energie verbrauchen, die wir später über Flächennutzung gewinnen müssen, und dass jeder einen optimalen Beitrag für sich zu dieser Energiebereitstellung liefert, was aber nicht heißen darf, dass ich das Gebäude sozusagen primär als Kraftwerk konzipiere.
Kommen wir zurück zur konkreten Definition der Kriterien PER-Bedarf und Erzeugung erneuerbarer Energie für die neuen Passivhausklassen.

Das Passivhaus Classic entspricht im wesentlichen der bisherigen Definition des Passivhauses. Neu ist, dass der PER-Bedarf, also der Bedarf an erneuerbarer Primärenergie 60 kWh/m2 a nicht überschreiten darf. In einer Übergangsphase ist aber auch noch die bisherige Anforderung, nämlich, dass die nicht erneuerbare Primärenergie nicht 120 kWh/m2 a überschreiten darf, gültig.

Beim Passivhaus Plus darf der Bedarf an erneuerbarer Primärenergie 45 kWh/m2 a nicht überschreiten. Die erneuerbare Energieerzeugung, bezogen auf die überbaute Fläche, muss mindestens 60 kWh/m2 a betragen.
Bezogen auf ein Einfamilienhaus resultiert damit beim Passivhaus Plus eine in etwa "ausgeglichene" Energiebilanz in der bilanziellen Betrachtung über ein Jahr. Damit ist ein nach Passivhaus Plus zertifiziertes Gebäude einem Gebäude, das in der gängigen Betrachtung den Nullenergie- oder gerade den Plusenergiestandard erreicht, vergleichbar.

Beim Passivhaus Premium darf der Bedarf an erneuerbarer Primärenergie 30 kWh/m2 a nicht übersteigen, während die erneuerbare Energieerzeugung, bezogen auf die überbaute Fläche, mindestens 120 kWh/m2 a betragen muss. In einem Passivhaus Premium-Gebäude wird damit - natürlich auch abhängig von der Gebäudegröße - in einer Jahresbilanz-Betrachtung in der Regel deutlich mehr Energie erzeugt, als benötigt wird. Auf der Informationsplattform passipedia.de wird diese Passivhausklasse als "Bonbon" für besonders Ambitionierte - für Bauherren und Planer, die mehr tun möchten, als das, was ökonomische und ökologische Erwägungen ohnehin nahelegen. charakterisiert.

Mit der Berücksichtigung der Gleichzeitigkeit von Bedarf und Erzeugung sowie mit einer intelligenten Flächenbewertung, die überdies auch einer Zersiedelung entgegensteuert, liefert damit das Passivinstitut die visionärste Definition eines Plusenergiehauses und setzt überdies auf einem tausendfach bewährten Planungstool, dem PHPP, auf.

Teil 5: Das Wichtigste zusammengefasst

Was ist ein Plusenergiehaus? - Das Wichtigste zusammengefasst
Was ist ein Plusenergiehaus? - Teil 5: Das Wichtigste zusammengefasst

Die unterschiedlichen Definitionen für Plusenergiegebäude lassen sich anhand von vier Fragen charakterisieren:
1. Wo wird die erneuerbare Energie, die dem Gebäude zugerechnet wird, erzeugt?
2. Welche im Gebäude bzw. von den Gebäudenutzern verbrauchte Energie wird berücksichtigt?
3. Über welchen Zeitraum wird bilanziert?
4. Wo liegt die energetische Bilanzgrenze bzw. in welchem Maßstab erfolgt die Bilanzierung?

Anhand dieser Fragen lässt sich eine mögliche, in Österreich ansatzweise konsensuale Definition so festlegen:
1. Die Energie, die dem Gebäude zugerechnet wird, wird am Standort, d.h. entweder am Gebäude selbst oder am Grundstück erzeugt.
2. Es wird die Energie für Gebäudebetrieb und Gebäudenutzung berücksichtigt, d.h. für Heizen, Kühlen, Lüften, Warmwasser, Hilfsenergie, Beleuchtung und Geräte.
3. Es wird über den Zeitraum eines Jahres bilanziert. Das zeitliche Auseinanderklaffen von Erzeugung und Verbrauch wird damit nicht abgebildet.
4. Es werden Primärenergiemengen verglichen, d.h. dass Endenergiemengen mit jeweils pro Energieträger unterschiedlichen Konversionsfaktoren multipliziert werden.

Es ist durchaus eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, ein Gebäude, das den Plusenergiestandard nach dieser Definition erreicht, zu verwirklichen.
Entscheidend ist die größtmögliche Minimierung des Energiebedarfs. Dieser minimale Energiebedarf kann erreicht werden durch: Passivhausstandard für die Gebäudehülle, sehr effiziente Haustechnik, bester Effizienzstandard für Elektrogeräte im Haushalt bzw. Büro, aber auch durch bewusstes und sparsames Nutzerverhalten.

Der Fokus auf die Jahresbilanz wird bisweilen kritisch hinterfragt, da in dieser Betrachtungsweise das zeitliche Auseinanderklaffen von Erzeugung und Verbrauch und die damit verbundenen Problematiken nicht berücksichtigt werden.

Das Passivhausinstitut hat in der Frage, wie das Null- und Plusenergiekonzept zu definieren und umzusetzen sei, einen wesentlichen Beitrag geleistet und einen neuen methodischen Ansatz entwickelt. Das Herzstück dieses methodischen Ansatzes sind die PER-Faktoren. PER steht für "Primary Energy Renewable" bzw. "Primärenergie Erneuerbar". Für die Ermittlung dieser PER-Faktoren wird davon ausgegangen, dass das Gebäude von einer Energieversorgungsstruktur umgeben ist, die zur Gänze auf erneuerbaren Energien basiert.
Seit April 2015 gibt es nunmehr drei Passivhausklassen: Passivhaus Classic, Passivhaus Plus, Passivhaus Premium. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der einzuhaltenden Werte für den Bedarf an erneuerbarer Primärenergie und der Erzeugung an erneuerbarer Energie, wobei die letztere Kennzahl auf die überbaute Grundfläche bezogen ist.

Plusenergie als generelles Optimierungsziel ist bei einzelnen Gebäuden nur beschränkt sinnvoll. Dann würden eingeschoßige Gebäude mit großer Dachfläche in Relation zur Nutzfläche bevorzugt.
Sinnvoll ist allerdings auf größtmögliche Energieeffizienz und - je nach Möglichkeiten des Gebäudes - auf eine möglichst hohe Produktion von erneuerbarer Energie zu achten.

Hilfreiche Quellen

  1. Österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), Berichte aus Energie- und Umweltforschung in der Förderprogrammschiene "Haus der Zukunft" http://www.hausderzukunft.at, Hrsg. Smart ABC: Smart Energy Efficient Active Buildings and Building Cluster. 2014. url: http://www.hausderzukunft.at/results.html/id6843
  2. Tobias Weiß. Ein internationales Spotlight auf die Bilanzierung von Null- und Plusenergiegebäuden. url: http://www.aee.at/aee/index.php?option=com_content&view=article&id=799&Itemid=113 (besucht am 03. 04. 2016)
  3. Classic, Plus, Premium: Die neuen Passivhaus-Klassen und wie sie erreicht werden können. url: http://www.passipedia.de/zertifizierung/passivhaus-klassen/classic-plus-premium (besucht am 03. 04. 2016)
  4. Nachhaltigkeitsbewertung mit PER. url: http://www.passipedia.de/zertifizierung/passivhaus-klassen/per (besucht am 03. 04. 2016)